„Wie war zu Cölln es doch vordem, mit Heinzelmännchen so bequem! Denn, war man faul: man legte sich hin auf die Bank und pflegte sich: Da kamen bei Nacht, ehe man’s gedacht, die Männlein […] Und eh ein Faulpelz noch erwacht, war all sein Tagewerk bereits gemacht!“ Die Sage in der Fassung des Dichters August Kopisch kennt jedes Kind. Nicht zuletzt deshalb erteilte Opernintendantin Birgit Meyer dem Jazzkomponisten Ingfried Hoffmann (81) den Auftrag, das Märchen zum 20-jährigen Jubiläum der Kinderoper zu vertonen. Über den den Entstehungsprozess sagt er: „Es hat Spaß gemacht, das Libretto zu verfassen, obwohl der Plot nur aus wenigen Sätzen besteht. Hier hat mir meine jahrelange Erfahrung als musikalischer Leiter der ‚Sesamstraße‘ geholfen.“ Und fügt hinzu: „Für mich ist wichtig, dass die Mütter sich dafür interessieren, denn sie erklären den Kindern hinterher das Gesehene.“
Herausgekommen ist ein eigenes Werk: Der Straßenmusiker Peter (hervorragend: Dino Lüthy), der die Kölner Heinzelmännchen besingt, lernt die Musikstudentin Eve (María Isabel Segarra mit fantastischer Stimme) kennen und lieben. Doch die glaubt nicht an die unsichtbaren Helferlein. Was diese wiederum empört: Wie können sie zeigen, dass es die zipfelmützentragenden Kobolde (grandios: Matthias Hoffmann, Young Woo Kim u.a.) wirklich gibt? Ein Plan wird geschmiedet: Bei einer Live-Show mit Peter und Eve als Superstars sollen die Heinzelmännchen auf ein gesungenes Passwort hin sichtbar werden. Nachdem Eve ihre Zweifel überwunden und Peter ihre Liebe gestanden hat, bereiten beide sich auf die Show vor. Gemeinsam mit den Kindern singen sie das Passwort und tatsächlich: Die Heinzelmännchen sind wieder da! Die alte Sage wird wieder lebendig: Wie die guten Geister bei Nacht fleißig zimmern, backen, metzgern, keltern und schneidern, bis das neugierige Schneidersweib Erbsen ausstreut, auf denen die Zwerge ausrutschen und verschwinden. Hoffmann hat sich neben dem Slogan „Musik ist die Sprache der Liebe“ ein besonderes Ende einfallen lassen: Ein Loblied auf die Kölner Kinder, die die Zukunft bilden.
„Es war ein tolles Stück, ein Riesenspaß und ein fantastisches Märchen“, zeigt sich Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach nach der Premiere begeistert. Und erzählt, dass sie die Heinzelmännchen schon seit Kindheit kennt, unter anderem in den Illustrationen der österreichischen Kinderbuchautorin Ida Bohatta. Auch Ingfried Hoffman zeigt sich zufrieden: „Es ist ein schönes Gefühl, die liebevollen Bemühungen aller Beteiligten zu sehen. Dass es gut funktioniert, sieht man an den begeisterten Reaktionen der Kinder.“ Diese waren, von Zappeleien aufgrund einiger Längen abgesehen, aufmerksam und beim Passwort-Singen eifrig mit dabei. Zum Vergnügen trugen auch das Bühnenbild mit einer beidseitigen, dem Kölner Heinzelmännchenbrunnen nachempfundenen Treppe sowie die farblich gut abgestimmten Kostüme von Christof Cremer bei. Ebenso sind die musikalische Leitung von Rainer Mühlbach, der mit seinen Mannen hoch oben thronte, sowie die Inszenierung der Kinderoper-Leiterin Brigitta Gillessen zu würdigen.
Zu deren Gründung vor 20 Jahren hob Birgit Meyer hervor, dass es die erste dieser Art in Westeuropa war. Dass es anfangs kein Geld von der Stadt gab und der Förderverein mit Hansmanfred Boden in die Bresche sprang. Dass deren Qualität sich durchgesetzt hat. Und dass die Freude der Kinder die schönste Belohnung sei.
„Die Heinzelmännchen zu Köln“ | R: Brigitta Gillessen | 11., 12., 13., 16., 20.12., 9., 11., 12., 13.1. je 11.30 Uhr, 25.12., 7.1., 14.1. 15 Uhr, 27.12., 3., 5.1. 18 Uhr | Oper Köln: Staatenhaus | 0221 22 12 84 00
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