Kennst du das Gefühl, wenn du einen Song liebst, ein Lied dich bewegt oder ein Track dich zum brennen bringt und du deine Groove-Schnute (der Gesichtsausdruck, wenn ein Lied dich mitreißt) aufsetzt? Wenn du diese Musik dann noch in einer Verbindung mit genialen Bilder siehst, ist das Glück für mich perfekt. Genial heißt hierbei nicht zwingend optisch hoch poliert und glatt, nicht vekaufsfördernd oder perfekt. Es muss keine ausgeklügelte Inszenierung sein, wie bei „Around the world“ von Daft Punk. Die Genialität der Verbindung von Musik und Film kann viele Formen annehmen.
So wie auch bei Moovy, dem Kölner Tanzfilmfestival, das Tanzfilme jeglicher Form und Herkunft zeigt. Moovy bietet sowohl lokalen als auch für internationalen Künstlern eine Plattform und es legt Wert darauf, auch nicht-westliche Positionen zu präsentieren, beispielsweise durch die Partnerschaft mit „Screendance Africa“. Moovy zeigt den neusten „heißen Scheiß“, aber auch Klassiker, wie „The Cost of Living“, der bereits 2004 unter der Regie von Lloyd Newson gedreht wurde. In diesem abgefahrenen Kurzfilm sieht man ungewöhnliche Gesichter und Körper, man hört starke Dialoge und sieht Gesten und Gebärden, deren Kraft und Aussage einem manchmal erst unterbewusst klar wird, wie eine geheime Message unter dem offensichtlichen Tanz. Fast jede Szene besticht das Herz. Dem Film gelingt es, schmerzhafte Realitäten, wie die des beinlosen Straßenkünstlers, ganz und gar nicht kitschig, sondern mit genialen Ideen versehen, umzusetzen und immer wieder zu überraschen. 45 bezaubernde, provokative, politische und sogar erotische Minuten, in denen Bewegung Sprache und Gefühl ist. Und der König der Herzen unter den Tanzszenen aus „The Cost of Living“ ist die Choreografie zu Cher.
Die jungen Talente zeigen kürzere Film-Schnittchen. So gibt es beispielsweise eine rhythmische Begegnung im Wald oder eine fluffige Liebesbeziehung in „No Room for Doubt“ von der katalanischen Aina Lanas, die mit ihrem Film an „Junge Talente Köln-Barcelona“ teilnimmt, eine Sektion der Kooperation zwischen dem Tanzfilm-Festival Choreoscope in Barcelona und dem Kölner Tanzfilmfestival. Lanas ist sowohl für die Regie als auch die Choreografie verantwortlich. Es geht bei ihr um die letzten Erinnerungen, den letzten Kontakt, real oder in unserer Vorstellung. „Das letzte Auf Wiedersehen, das keinen Raum für Zweifel lässt.“
Tanzfilme sind in Abgrenzung zu Tanzaufführungen eine ganz eigene Kunstform. Die Choreografien beziehen sich auf die Kamera und zeigen so auch Ansichten und Mischformen z.B. mit Animationen, die auf einer Bühne nicht umsetzbar sind. So zeigt „Spin“ von Neo-Media Artist Max Hattler eine irrwitzige Choreografie von Soldaten, die sich zu Swing-Musik in einem Kaleidoskop bewegen, mal wie Hampelmänner, dann aber auch als Breakdancer. Am Ende ballern sie sich gegenseitig weg und vernichten sich mit Flammenwerfern. Die Filmauswahl ist insgesamt sehr abwechslungsreich und zeigt, was 2017 machbar ist. Mal bekommt der Zuschauer das Gefühl einen Stromschlag verpasst zu bekommen („MXAKI“) oder wir fühlen uns wie in einer Traumsequenz, die zwischenzeitlich zum Thriller mutiert („Ocean´s Memories“). Körper verschmelzen und winden sich in einer verletzlichen Ästhetik, nackt und staubig („Valtari“) oder ein paar richtige „Cool Kids“ tanzen lässig durch den Park und ja, am liebsten würde man sofort mittanzen („This Town“).
Die Jury, die aus internationalen Tanzfilmexperten aus Südafrika, China, Brasilien, Spanien und Deutschland besteht, hat die Auswahl getroffen und damit bewiesen: Tanz im Film kann alles. Er kann anrühren, provozieren, schockieren, amüsieren und vor allem inspirieren.
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