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Foto: Thomas Aurin

Blinder Glaube

03. November 2021

„Metropol“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/21

Die „Rechtsförmigkeit des Terrors“ musste gewahrt bleiben, darauf bestand Stalin, als er von 1936 bis 1937 seine Welle der „Säuberungen“ in Gang setzte. Prozesse vor Gericht waren ein Muss, so abstrus die Beweisführung für Abweichlertum auch geriet. Es konnte die politische Nomenklatura wie Bucharin genauso treffen wie den Durchschnittskommunisten.

Charlotte (Yvon Jansen) und Wilhelm (Ronald Kukulies) sind vor dem Naziterror in die Sowjetunion geflohen und geraten nun in die stalinistische Maschinerie. Hinter den beiden Figuren verbergen sich die Großeltern des Autors Eugen Ruge, der 2019 die Geschichte ihres Moskauaufenthalts in einem Tatsachenroman rekonstruierte. Armin Petras hat den Roman jetzt im Depot 2 auf die Bühne gebracht. Schwarze Tische und Stühle möblieren den Raum – als Zeichen für Bürokratismus. Charlotte und Wilhelm führen einen Überlebenskampf zwischen Arbeitserlaubnis und Lebensmittelkauf, verlieren aber nie den Glauben ans System und seine absurde Propaganda. Bei dem zweiten Paar Hilde (Sabine Weibel) und Julius (Benjamin Höppner) wird diese Angst zum Lebensinhalt. Wahnhaft glaubt Hilde, Stalin selbst sei Opfer einer Verschwörung. Die Zweifel wachsen, während Julius mit zynischem Überschwang seine Abschiebung nach Nazideutschland feiert.

Armin Petras’ Inszenierung transportiert eine mitreißende Lebendigkeit, die ständig zwischen emotionalen Zuständen, zwischen Komik und Tragik wechselt. Am Ende steht die Frage, wie blind der Glaube eines Menschen sein kann. Charlotte und Julius jedenfalls entkamen der stalinistischen Mordmaschinerie und lebten später in der DDR.

Metropol | R: Armin Petras | 13., 28.11. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

Hans-Christoph Zimmermann

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