Die „Rechtsförmigkeit des Terrors“ musste gewahrt bleiben, darauf bestand Stalin, als er von 1936 bis 1937 seine Welle der „Säuberungen“ in Gang setzte. Prozesse vor Gericht waren ein Muss, so abstrus die Beweisführung für Abweichlertum auch geriet. Es konnte die politische Nomenklatura wie Bucharin genauso treffen wie den Durchschnittskommunisten.
Charlotte (Yvon Jansen) und Wilhelm (Ronald Kukulies) sind vor dem Naziterror in die Sowjetunion geflohen und geraten nun in die stalinistische Maschinerie. Hinter den beiden Figuren verbergen sich die Großeltern des Autors Eugen Ruge, der 2019 die Geschichte ihres Moskauaufenthalts in einem Tatsachenroman rekonstruierte. Armin Petras hat den Roman jetzt im Depot 2 auf die Bühne gebracht. Schwarze Tische und Stühle möblieren den Raum – als Zeichen für Bürokratismus. Charlotte und Wilhelm führen einen Überlebenskampf zwischen Arbeitserlaubnis und Lebensmittelkauf, verlieren aber nie den Glauben ans System und seine absurde Propaganda. Bei dem zweiten Paar Hilde (Sabine Weibel) und Julius (Benjamin Höppner) wird diese Angst zum Lebensinhalt. Wahnhaft glaubt Hilde, Stalin selbst sei Opfer einer Verschwörung. Die Zweifel wachsen, während Julius mit zynischem Überschwang seine Abschiebung nach Nazideutschland feiert.
Armin Petras’ Inszenierung transportiert eine mitreißende Lebendigkeit, die ständig zwischen emotionalen Zuständen, zwischen Komik und Tragik wechselt. Am Ende steht die Frage, wie blind der Glaube eines Menschen sein kann. Charlotte und Julius jedenfalls entkamen der stalinistischen Mordmaschinerie und lebten später in der DDR.
Metropol | R: Armin Petras | 13., 28.11. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24
Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24
„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24
Kaninchenbau des Hasses
„Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln
Dunkle Faszination
Franz Kafkas „Der Prozess“ am Schauspiel Köln – Auftritt 02/24
Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
Ein Martyrium der Erniedrigung
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/23
Ohne Opfer kein Krimi
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Prolog 12/23
Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23
Verliebt, verlobt, verlassen?
„Erstmal für immer“ am Schauspiel Köln – Prolog 10/23
Für die Verständigung
Stück für Gehörlose am CT – Theater am Rhein 03/24
Im Höchsttempo
„Nora oder Ein Puppenhaus“ in Bonn – Theater am Rhein 03/24
Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24
Wo ist Ich?
„Fleischmaschine“ am FWT – Theater am Rhein 02/24
Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24
Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24
Emotionale Abivalenz
„Sohn meines Vaters“ in Köln – Theater am Rhein 01/24
Übung in Demokratie
„Fulldemo.cracy“ am Studio Trafique – Theater am Rhein 01/24
Welt ohne Männer
„Bum Bum Bang“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 12/23
Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23
Weiter mit der Show
„Von Käfern und Menschen“ am TiB – Theater am Rhein 11/23