Zum zweiten Mal in Folge hat das Frauen*streikbündnis Köln am 8. März, dem internationalen Frauentag, zur Demo aufgerufen. Und zum zweiten Mal sind dem Aufruf viele Menschen, laut VeranstalterInnen waren es um die 4000, gefolgt. Anstatt Blumen zu bekommen, wollen die AktivistInnen den Tag dafür nutzen, auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen. Bei der Demonstration durch die Kölner Innenstadt liefen unter anderem antikapitalistische, antifaschistische, antirassistische und queere Gruppen mit, es gab einen Block kurdischer Frauen und einen zu Klimagerechtigkeit. Geeint durch das gemeinsame Ziel: endlich eine Welt der Gleichberechtigung zu realisieren, in der *alle* Menschen sichtbar sind und eine Stimme haben, die gehört wird.
Am Roncalliplatz startend, führte die Demonstration mehrere Kilometer durch die Innenstadt Richtung Kölner Süden und endete am frühen Abend am Chlodwigplatz.
„Macker gibt`s in jeder Stadt, bildet Banden, macht sie platt“
Trotz des phasenweise einsetzenden Nieselregens waren die Teilnehmer laut und entschlossen: Es gab Parolen, Musik, Tanz, Wunderkerzen und auch ein bisschen Pyrotechnik. Letztere führte kurzzeitig zu Spannungen mit der Polizei – ein Zugriff der Polizeibeamten auf eine verdächtigte Person, wurde durch die Masse – „stick, stick, stick together!“ – verhindert. Ansonsten verlief alles friedlich, aber die Stimmung blieb dynamisch: Es herrschte Wut und Trauer in Gedenken an die Opfer des rechtsextremistischen Terrors in Hanau, Ausgelassenheit und Freude über die vielen Menschen, die gekommen waren, um ein Zeichen zu setzen. Und auch Hoffnung – nämlich darauf, dass man gemeinsam etwas bewegen kann, um die Welt gerechter zu machen.
„Unser Feminismus ist für alle da!“
Auf einer großen Bühne unter dem Torbogen auf dem Chlodwigplatz wurde nach dem Marsch Musik gespielt und es fanden Redebeiträge statt. Das besondere Motto für dieses Jahr lautete: mehr Wertschätzung für Pflege- und Sorgearbeit, die sowohl in der Lohnarbeit als auch im Privaten vor allem durch Frauen und Queers geleistet wird. RednerInnen des Bündnisses für „mehr Menschen im Gesundheitswesen“ forderten, dass ihre endlich Arbeit gewertschätzt werde. Es dürfe nicht selbstverständlich sein, dass „frau sich eben kümmert“: „Pflege geht uns alle was an!“
Eine weiterer emotionaler Höhepunkt war die Rede von Vertretern der neu gegründeten „Migrantifa“: „Dieses Jahr sind tausend mal mehr Menschen durch den Rassismus gestorben, als durch den Coronavirus. Wo ist die Panik?“ Das Publikum solidarisierte sich mit „Wir sind hier, wir sind da – yalla yalla Migrantifa“-Rufen. Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt lag darauf, sich selbst kritisch zu reflektieren – dafür sorgte vor allem die Gruppe der schwarzen Feministinnen: „Feminismus ist nur dann feministisch, wenn er divers ist.“ In Zeiten, in denen lesbische Frauen Vorsitzende der AfD sind, müsse besonders geprüft werden, welche Taten den Worten tatsächlich folgen.
In diesem Jahr fiel der 8. März auf einen Sonntag – im nächsten wird es ein Montag sein. Außer in Berlin ist der internationale Frauenkampftag in Deutschland bisher kein Feiertag, sodass der Anspruch zu streiken, nächstes Jahr auf die Probe gestellt werden soll. Die Veranstalter hoffen, dass auch 2021 trotzdem wieder genauso viele FLINT*Personen (Frauen, Lesben, Inter- und Transsexuelle) auf die Straße gehen. Oder auf andere Formen des Streiks, wie „Bummelstreik“, „kämpferische Mittagspause“, „Sick out“ oder „Lächelstreik“ zurückgreifen – über deren Bedeutung das Bündnis Frauen*streik Köln auf seiner Webseite aufklärt.
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