Die USA am 4. Juli: Die christlich ausgerichteten Angle Studios bringen „Sound of Freedom“ ins Kino. Erzählt wird die wahre Geschichte des Heimatschutzagenten Tim Ballard, der in Südamerika auf eigene Faust Kinder vor sexueller Gewalt rettet. Das bereits 2018 abgedrehte Thrillerdrama ist spannend und relevant. Im Abspann des Films aber dann ein aktuelleres, befremdliches Statement von Hauptdarsteller und QAnon-Schwurbler Jim Caviezel. Botschaft Nr. 1: Dem Start des Films wurden massiv Steine in den Weg gelegt. Subtext: Schaust du ihn, leistest du Widerstand! Botschaft Nr. 2: Dieser Film kann substanziell dazu beitragen, Kinderverschleppung zu beenden! Also müssen ihn Millionen Zuschauer sehen. Also kaufe weitere Kinotickets, um sie anderen zu spenden! Kein Spendenaufruf also etwa für eine Organisation, die sich gegen Verschleppungen einsetzt. Sondern Spenden, allein um den Filmstart zu pushen. In der Folge sind in den USA ausverkaufte Vorstellungen des Dramas mitunter nur spärlich besucht. Eine Marketingkampagne, die den Film und sein Thema instrumentalisiert und Einspielergebnisse manipuliert. „Sound of Freedom“ bleibt ein wichtiger Film. Er startet diesen Monat in unseren Kinos.
Köln, Generationenpark Volkhoven/Weiler am 5. September: Im Auftrag vom LATIBUL Theater- & Zirkuspädagogischen Zentrum richtet das Filmhaus Köln ein Open-Air-Kino aus. Jugendliche sind im Vorfeld an der Filmauswahl beteiligt. Der Dokumentarfilm „Liebe, D-Mark und Tod“ soll an drei Abenden gezeigt werden. Noch am Abend der Premiere zeigen sich die Pächter der Fläche, der Bürgerverein Volkhoven/Weiler v. 1955 e.V., von der inhaltlichen Ausrichtung des Films empört. Er schüre „Ressentiments gegenüber Deutschen“. Tatsächlich erzählt der preisgekrönte Dokumentarfilm von den Gastarbeitern, die seit den 1960ern in Deutschland angeworben wurden. Vor allem aber geht es darum, wie daraus etwas ganz Besonderes entstanden ist: eine eigenständige türkische Musikkultur, geboren aus der Perspektive jener Menschen, die die deutsche Wirtschaft befeuern, sich hier aber nicht dauerhaft niederlassen sollen. Der Bürgerverein Volkhoven/Weiler unterbindet kurzfristig die zwei Folgeveranstaltungen und verweist auf Sicherheitsbedenken, die die Polizei nicht teilt. Der Vorstand verweigert ein klärendes Gespräch. „Liebe, D-Mark und Tod“ wird unter anderem auf der Berlinale und dem Filmfest München mit Preisen ausgezeichnet. Ein Bürgerverein versperrt dem Film kurzfristig seine Spielstätte. Zensur. Aus intransparenten Gründen.
Zwei Skandale über zwei Filme, ohne dass der Film selbst der Skandal ist. Zwei Institutionen gerieren sich als ehern – dort als Verleiher eines Films mit brisanter Thematik, hier als Co-Ausrichter eines sozialen Projekts. In der Folge verraten beide Institutionen den Kern der Sache, indem sie die Spielstätten ideologisch missbrauchen bzw. die Leinwand komplett kassieren. Indem sie den Film politisieren, instrumentalisieren. Schwurbler, Hände weg von unseren Leinwänden!
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