Soviel kölsche Genugtuung war lange nicht: Köln auf theatraler Augenhöhe mit Wien! Während der Kölner Schauspielintendant Stefan Bachmann ans Wiener Burgtheater wechselt, kommt Kay Voges vom Volkstheater Wien nach Köln. Am 15. August hat der Hauptausschuss der Stadt Köln den 51-jährigen, gebürtigen Düsseldorfer ab der Spielzeit 2025/26 zum neuen Kölner Schauspielintendanten berufen – der dann hoffentlich im Schauspielhaus am Offenbach seinen Dienst antreten wird. Die Auswahl erfolgte, allen Forderungen zum Trotz, als interne Verwaltungsentscheidung durch OB Henriette Reker und Kulturdezernent Stefan Charles – beraten von einer Findungskommission.
Wie vertraut Voges bereits mit der Kölner Mentalität ist, ließ sich an seinem verschwenderischen Gebrauch von Superlativen in Interviews erkennen: Im WDR sprach er von der Kölner Intendanz als „Jackpot“, in der Kölnischen Rundschau nannte er das Haus eine „der Topbühnen Europas“. Zum Programm war – durchaus nachvollziehbar – nichts Konkretes zu erfahren außer Floskeln wie „Theater für die Stadtgesellschaft“, man wolle „Strahlkraft“ entwickeln, „ein Ort für Europa sein“. Was man so sagt, wenn man gerade gewählt ist.
In Dortmund hatte Voges mit dem Einsatz der digitalen Medien, mit Popgewitter und Mash-up-Techniken das Publikum begeistert und auch provoziert – samt Gründung einer Akademie für Theater und Digitalität. Erste große Namen wie Ersan Mondtag tauchten auch da schon im Spielplan auf. Den Dortmunder Erfolg konnte er in Wien dann nicht mehr wiederholen. Die Auslastungszahlen waren mittelmäßig, die Resonanz in der Presse durchwachsen. Allerdings stand sein Start am Wiener Volkstheater unter keinem guten Stern. Wie in Dortmund hatte er zunächst eine Sanierungsphase zu überstehen und dann lähmte Corona den Spielbetrieb. Aber Voges holt durchaus vielversprechende Regie-VIPs ans Volkstheater wie Luk Perceval, Claudia Bauer, deren Jandl-Abend „humanistää!“ gerade zum Theatertreffen eingeladen war, Antonio Latella oder Rimini Protokoll – Namen, die auch in Köln schon funktioniert haben oder funktionieren werden. Und auch die Zusammenarbeit mit Choreographinnen wie Doris Uhlig oder Florentina Holzinger könnte im Depot in Köln-Mülheim eine Fortsetzung finden. Kay Voges dürfte vermutlich erleichtert sein, diesmal seine Intendanz in einem durchsanierten Haus zu beginnen – sofern nichts schiefgeht.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Der Eigentumsbegriff ist toxisch“
Regisseurin Marie Bues bringt am Schauspiel Köln „Eigentum“ zur Uraufführung – Premiere 10/23
Zeit der Heilung
„Navy Blue“ am Schauspiel Köln
Interims-Intendant für den Neuanfang
Rafael Sanchez leitet ab 2024 das Schauspiel Köln – Theater in NRW 06/23
Frauen und Krieg
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/23
„Grenzen überschreiten und andere Communities ins Theater holen“
Sarah Lorenz und Hanna Koller über das Festival Britney X am Schauspiel Köln – Premiere 06/23
Raum für Weichheit
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Prolog 04/23
Narzisstisches Manager-Kunstturnen
„Johann Holtrop“ am Schauspiel Köln – Auftritt 04/23
„Das ist der Vitamin B-Weg“
Dennis Nolden inszeniert „Judith Shakespeare“ am Schauspiel Köln – Premiere 04/23
Wiedergeburt 2.0
„Meta-Sleep“ am Schauspiel Köln
Doller kuscheln
„Gott des Gemetzels“ am Schauspiel – Theater am Rhein 03/23
Irgendwie dazwischen
„Exil“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/23
Hamsterrad des Lebens
„Helges Leben“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/23
Folgerichtiger Schritt
Urban Arts am Theater Oberhausen – Theater in NRW 08/23
Neue Allianzen
Bühnen suchen ihr Publikum – Theater in NRW 07/23
And the winner is …
Auswahl der Mülheimer Theatertage – Theater in NRW 04/23
Knappheit und Kalkulation
Besucher:innenzahlen am Theater steigen – Theater in NRW 03/23
Gegen Ausbeutung und Machtmissbrauch
Klassenkämpferischer Wind weht durch die Theater – Theater in NRW 02/23
Mehr Solidarität wagen
Die Theater experimentieren mit Eintrittspreisen – Theater in NRW 01/23
Zeichenhafte Reduktion
NRW-Kunstpreis an Bühnenbildner Johannes Schütz verliehen – Theater in NRW 12/22
Bessere Konditionen
EU stärkt Solo-Selbstständige im Theater – Theater in NRW 11/22
Internationale Vernetzung
Olaf Kröck verlängert Vertrag bei den Ruhrfestspielen – Theater in NRW 10/22
Dunkle Fassaden
Das Theater und die Energiekrise – Theater in NRW 09/22
Neue Präferenzen
Ina Brandes ist neue NRW-Kultur- & Wissenschaftsministerin – Theater in NRW 08/22
Dortmunder Turbulenzen
Schauspielchefin Julia Wissert unter Druck – Theater in NRW 07/22