Das Depot 1 ist ausverkauft, das Publikum hat sich auf seinen Plätzen eingefunden. Der Vorhang ist geschlossen, man unterhält sich, das Saallicht ist noch an – da stürmen zwölf Jugendliche und junge Erwachsene durch den Zuschauerraum auf die Bühne.„We started from the bottom, now we’re here!“, skandieren sie.Die Energie schwappt unmittelbar über und macht diesen Theaterabend des Import Export Kollektivs in der Inszenierung „Helges Leben“ zu einem sehenswerten Feuerwerk an Spiellust.
Das Stück von Sibylle Berg handelt von einer posthumanen Welt, in der die Menschen im Grunde ausgestorben sind und nur noch als Abendunterhaltung der Tiere dienen. So wird ihnen heute Helges kümmerliches Menschenleben präsentiert: wie er aufwächst und immer wieder scheitert, bis er schließlich einsam stirbt. Regisseurin Saliha Shagasi inszeniert das diverse Kollektiv in einer gigantischen Halfpipe, das wie ein Hamsterrad des Lebens die Menschen nicht entkommen lässt. Bergs Satire ist bereits so alt wie manche der Darsteller:innen auf der Bühne. Der Blick auf die Menschheit ist zynisch, im Mittelpunkt steht ein Mittelklasse-Alman-Typ, der meistens von seiner Angst bestimmt wird. Durchmischt wird der Text aber hier mit chorischen Elementen, in denen die Ensemblemitglieder ihre persönlichen Ängste und Geschichten teilen, Tanzeinlagen und Lieder performen. Das starke Ensemble verkörpert so einen direkten Gegenentwurf zu Helges kümmerlichem Dasein. Es schafft gekonnt den Spagat zwischen humorvollen und berührenden Momenten, zwischen Bergs Textvorlage und einem zeitgemäßen Kommentar darauf. Ein eindrucksvoller Abend am Schauspiel Köln.
Helges Leben | 8., 9.2., 21., 30., 31.3. | Schauspiel Köln | 0221 221 284 00
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