Skarabäus – welche Geheimnisse beim Klang dieses Namens mitwehen, welch Erhabenheit und Magie! Dem Insekt maßten die Ägypter und Hellenen übernatürliche Kräfte zu. Es stand für Leben und Tod, für Auferstehung. Im Nu verschwindet er und taucht wieder auf, der Skarabäus gräbt sich blitzschnell in die Erde und bleibt dort erst einmal verborgen. Dort findet er, was er braucht oder hat es sich mühe- wie kunstvoll in Kugelform zurechtgelegt. Doch das wusste man damals noch nicht, man sah bloß, wie er aus seinem chthonischen Reich wiederaufersteht. Skarabäus – ein Name so faszinierend wie sein Träger.
Transparentes Deutsch
Auch bei uns lebt der Skarabäus: als Mistkäfer. Das sagt schon alles über die hiesige Einstellung zu dem Sechsbeiner mit der schillernden Schale. Käfer sind selten Sympathieträger, es sei denn, sie tragen Punkte auf ihrem Rücken. Und der erste Wortbestandteil ist halt einfach Mist.
Zugegeben, die deutsche Sprache ist transparent und effizient, was Tiernamen angeht. Stellen Sie sich ein englischsprachiges Grundschulkind zwischen Manchester und Birmingham vor, das zum ersten Mal über platypus, echidna oder armadillo liest. Es steht da wie ein prämontaner Bovine. Wüchse das Kind zwischen Marl und Oer-Erkenschwick auf, wäre seine Fantasie direkt entfacht: Schnabeltier, Ameisenigel und Gürteltier! Was das doch für Assoziationen wecken muss bei einem oder einer Achtjährigen! (Wahrscheinlich so falsche wie urkomische.)
Tierische Popkultur
Andererseits spiegelt Sprache unser Bild von Tieren. Das Eichhörnchen etwa existiert nur mit der Diminutivendung -chen, weil es so unbeschreiblich putzig ist. Selbst wenn es eins achtzig groß wäre, würde es nicht zum Eichhorn – und wenn es Schädel knacken würde wie Nüsse. Präzise unterscheiden wir nach Alter und Geschlecht zwischen Gans, Ganter und Gössel. Tun wir nicht? Gössel kennen Sie nicht? Daran kann man sehen, dass Gänse heute keine große Rolle mehr in unserem Leben spielen. Gustav Gans hat halt keine eigenen Kinder, keine Gössel.
Überhaupt spielen Medien heute eine größere Rolle denn je bei der Benennung von Tieren. Mein Neffe erzählte mir neulich von einem Togo. In Gedanken beim westafrikanischen Staat war ich verwirrt, was der Erstklässler meine. Es stellte sich heraus, dass er den Eigennamen einer auf Tiktok zu Ruhm gelangten Kängururatte als Gattungsnamen benutzte. Ich kann mir gut vorstellen, er denkt, Waschbären hießen Pedro. Diese Kinder heutzutage mit ihren Smartphones – man stelle sich vor, wir hätten alle Collies „Lassie“ genannt und alle West Highland White Terrier „Cäsar“! Niemals!
Namen machen Tiere
Ich pädiere für mehr Filme, Serien und Meme mit benamten Tieren. Diese Namen sollen dann gelten – höchstrichterlich, oberdudenhaft und spitzenzoologisch. Die ehemaligen Schneeeulen müssten kaum noch um ihren Lebensraum bangen, denn jeder möchte die Hedwigs retten. Wir ersetzen den Großen und den Kleinen Panda durch Po und Shifu und retten beide Arten durch noch mehr Sympathiepunkte. Hießen Schweine nicht mehr Schweine, sondern Babes, dann wäre gegen Massentierhaltung der entscheidende Schritt getan. Die Meere schützen wir vor Überfischung, indem wir alle Fische Dori oder Nemo nennen. Einzig Haie brauchen Extra-Sympathiepunkte. Die sollten Babysharks heißen und sich zur Sicherheit noch bunt anmalen. Die Angst vor Haien wäre Geschichte – was wahrscheinlich zu einem Anstieg der Todesfälle durch Hai-, pardon, Babysharkangriffe durch menschliche Leichtsinnigkeit führen würde. Aber wer kann schon einem Babyshark böse sein! Der Erfolg einer Marke hängt zu 50 Prozent von ihrem Namen ab. Das wussten schon die alten Ägypter.
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Teil 2: Interview – Biologin Katrin Böhning-Gaese über Biodiversität, Wildtiere und Naturschutz
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