Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.560 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Noch kann man Journalismus anfassen
Foto: Jan Schliecker

Genosse Stadtanzeiger

09. April 2019

Wie die Domstadt Zeitungsgeschichte schreiben könnte – Nachgefragt 04/19

Den Mächtigen auf die Finger zu schauen, wenn sie gegen die Interessen der Mehrheit handeln, und den eigenen moralischen Zeigefinger zu heben – das ist schon immer die Aufgabe der freien Presse gewesen. In Köln, einer Stadt mit einer mehrere Jahrhunderte alten Zeitungstradition, hat sich die Bürgerschaft daran gewöhnt. Dennoch: auch in der Domstadt sind die Auflagenverluste der großen Blätter nicht unter den Tisch zu kehren. Stammleserinnen und -leser wandern seit Jahren ab ins Internet, neue kommen nicht wirklich hinzu. Der zunehmende redaktionelle Einheitsbrei unterstützt diesen gefährlichen Trend: Ohne gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten, die Zeit für aufwändige Recherchen aufwenden können, ohne Leserinnen und Leser, ohne einen Aufschrei aus der Stadtgesellschaft können die Mächtigen künftig tun und lassen was sie wollen. Korruption, Miss- und Vetternwirtschaft werden Tür und Tor geöffnet – wenn nicht etwas passiert.

Dass DuMont wie so viele behäbige und ebenso überhebliche Medienhäuser die Digitalisierung verpennt hat, rächt sich jetzt mit voller Härte. Im klassischen Tageszeitungsgeschäft Geld zu verdienen wird immer schwieriger, die Margen zunehmend geringer. Investiert wurde in den vergangenen Jahren nicht etwa in eine Vorreiterstellung im digitalen Zeitungssegment, sondern in andere Bereiche, die nichts mit dem Kerngeschäft zu tun haben. Nachgefragt bei Prof. Dr. Frank Überall, wie es nun weitergehen kann mit dem Kölner Stadt-Anzeiger, bringt dieser einen sehr charmanten Vorschlag ins Spiel. Der Politologe, Journalist und Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands setzt auf eine Genossenschaft von Kölner Bürgerinnen und Bürgern, die den Zeitungstitel übernehmen könnte. Ein solches Modell, in Köln durchaus möglich, wäre ein Novum in der deutschen Zeitungslandschaft. Annähernd vergleichbar wäre einzig Die Tageszeitung, kurz taz, die auf ein genossenschaftliches Eigentümermodell setzt. Doch die taz ist bundesweit, nicht lokal ausgerichtet.

Pascal Hesse
Foto: Stefanie Lawrenz
​Pascal Hesse, investigativer Journalist für trailer, engels, choices, FOCUS und [recherche|kollektiv].
Er ist im Vorstand DJV NRW.

'Nachgefragt: Der Weg des Geldes' ist seine Kolumne

Es würde Köln gutstehen, sich über ein derartiges Modell Gedanken zu machen. Die Chance, sie ist wahrhaft historisch, und wird sich so wahrscheinlich nicht noch einmal auftun. Der Vorzug einer Zeitungsgenossenschaft, er liegt auf der Hand: kein Verleger, kein aus der Art geschlagener Nachfahre, kein gewinnversessener Investor oder interessengeleiteter Akteur an der Verlagsspitze könnte sich einmischen in die freie Bürgerpresse. Klar, der finanzielle Aufwand für ein derartiges Projekt ist enorm: mehrere zig Millionen Euro würden dafür draufgehen. Doch wie schon bei vielen anderen Genossenschaften wiegt ein weiterer Vorteil schwer, jener, der sich aus Artikel 14 des Grundgesetzes ableitet: „Eigentum verpflichtet.“ Welcher Eigentümer, welcher Kölner mit Genossenschaftsanteil, würde schon freiwillig sein Zeitungsabonnement kündigen? Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass er bei der Generalversammlung aufsteht und wettert, wie ihm die rheinische Schnauze gewachsen ist, wenn die Qualität oder Richtung des Stadt-Anzeigers nicht mehr stimmen würde. Es wäre ein interessantes, ein womöglich nicht einmalig bleibendes Experiment, das Nachahmer in der ganzen Republik finden könnte. Dass sich auf dem deutschen Zeitungsmarkt etwas ändern muss, ist klar. Die Kölnerinnen und Kölner können den Grundstein dafür legen, dem Wohle der gesamtdeutschen Allgemeinheit dienlich sein.


Rückblick: Nachgehakt – Metropolregion Rheinland

Ein Brief des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Thomas Geisel (SPD) an seinen Leverkusener Amtskollegen Uwe Richrath (SPD) soll am Verfahren zur Berufung der Grünen-Politikerin Kirsten Jahn in die Geschäftsführung der Metropolregion Rheinland (MRR) neue Zweifel wecken. Dies geht aus aktuellen Medienberichten hervor. Im Brief soll Geisel, der zugleich Vorsitzender des Vorstands der MRR ist, erklären, dass die Kölner OB Henriette Reker (parteilos) sich in der Sitzung des geschäftsführenden Vorstands am 21. Januar „sehr dezidiert für die Bewerberin Jahn ausgesprochen habe“. Ob diese Schilderung der Wahrheit entspricht, war seitens der Stadtkanzlei bislang nicht zu klären. Die Diskussion um das Geschacher um die mit rund 120.000 Euro Jahresgehalt dotierte Spitzenfunktion geht damit dennoch in die nächste Runde.

Pascal Hesse

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Arthur der Große

Lesen Sie dazu auch:

Prima Klima für Köln
Die Stadt will klimaneutrale Kommune werden – bis 2050 – Nachgefragt 01/20

Sagen, was ist
Zu den Waffen: Der freie Journalismus muss verteidigt werden! – Nachgefragt 12/19

Auf den Roller gekommen
Köln ist eine der ersten deutschen Großstädte, in der großflächig E-Scooter verliehen werden – Nachgefragt 11/19

Köln braucht die Verkehrswende – jetzt
Radfahren in der Domstadt ist beliebt, aber nervenaufreibend – Nachgefragt 09/19

Wenn aus Hass Mord wird
Nach dem Tod von Walter Lübcke werden wieder Morddrohungen laut – Nachgefragt 08/19

Im Zweifel für die Gesundheit
Wessen Interessen vertritt Prof. Dr. Karl Lauterbach? – Nachgefragt 06/19

Frauen gehören in die Chefetage
Ex-US-Präsident Barack Obama setzt auf mehr Frauen und Klimaschutz – Nachgefragt 05/19

„Die Kontrolle der Mächtigen verschwindet“
Für Frank Überall sind die Verkaufspläne von DuMont demokratiegefährdend – Nachgefragt 04/19

Vom Ratssaal schnurstracks in die Chefetage
Karenzzeiten für Kommunalpolitiker ständen dem Kölschen Klüngel gut – Nachgefragt 03/19

Wir schaffen das – weiterhin
Noch immer zieht es viele Flüchtlinge direkt nach Köln – Nachgefragt 02/19

Kölner Sitzfleisch – der Stadtwerke-Skandal
Der Weg des Geldes: als wäre nichts gewesen – Nachgefragt 01/19

Bedürftig ja, aber bitte nicht in Köln
Der Weg des Geldes: wenn ‚sozial’ an der Stadtgrenze aufhört – Nachgefragt 12/18

choices spezial.

Hier erscheint die Aufforderung!