Ein „Ermutigungspreis“ soll es sein. Das klingt ein wenig nach Almosen. Als ob man es mit Erniedrigten und Beleidigten zu tun hätte, auf die nur noch schäbige Abglanz der Metropole fällt und die dringend ein bisschen Aufmunterung vertragen könnten. Man kann aber davon ausgehen, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters ihren im Dezember erstmals verliehenen „Theaterpreis des Bundes“ nicht als Trostpflaster versteht, auch wenn damit ausdrücklich die Arbeit kleiner und mittlerer Theater gewürdigt werden soll. Aus 187 Bewerbungen hat die fünfköpfige Jury 12 Theater aus verschiedenen Bundesländern ausgewählt: NRW ist zwei Mal vertreten, was allerdings nicht so ganz seinem ästhetischen Gewicht in der Theaterlandschaft entspricht. Aber: Proporz muss natürlich sein, wo kämen wir hin, wenn allein nach Qualität geurteilt würde.
Das Theater Oberhausen braucht sicherlich keine Ermutigung, dagegen aber die 80.000 Euro Preisgeld. „Wenige Stadttheater öffnen sich derart kontaktfreudig der Freien Szene wie das Theater Oberhausen“, heißt es in der Jurybegründung. Gelobt wird vor allem die Zusammenarbeit mit dem Kollektiv geheimagentur, dem Ringlokschuppen und das Projekt „54.Stadt“. Gelobt werden aber auch Intendant Peter Carp für sein Ensemble und die „avancierten Ästhetiken“ von „internationalen Regisseuren“ wie Andriy Zholdak, Bram Jansen oder Simon Stone. Doch der Preis wird für Oberhausen eigentlich zum Abschiedspreis. Peter Carp wechselt bekanntlich im Sommer 2017 nach Freiburg. Damit ist die Oberhausener Herrlichkeit erst einmal vorbei. Seit dem Abgang von Johannes Lepper 2008 hat Peter Carp dem Haus bundesweit ein neues Ansehen verschafft und für Furore gesorgt, neben den erwähnten Regisseuren auch mit den abgedrehten Inszenierungen eines Herbert Fritsch.
Und auch in Düsseldorf braucht man kein aufmunterndes Schulterklopfen. So schlecht steht es um das Forum Freies Theater nicht. Im Gegenteil. Nach der Aufnahme in ein vom Bund mit 12 Mio. Euro gefördertes „Bündnis internationaler Produktionshäuser für zeitgenössische darstellende Kunst“ bekommt das FFT außerdem aus Grütters Theaterpreis-Schatztruhe 80.000 Euro. Seit 2004 leitet Kathrin Tiedemann das Haus mit den beiden Spielstätten in der Düsseldorfer Innenstadt. Gelobt wurden von der Jury die Erforschung neuer Formate, „in denen es gelingt, unterschiedliche Disziplinen konzeptionellen Denkens mit ästhetischen Aktionen zu verbinden“. Und weiter: „Das FFT erzeugt dabei auf Augenhöhe eine Sphäre aus Stadt, Kunst und Theater, die bestrebt ist, Denkfiguren nicht nur als künstlerischen Prozess zu begreifen, sondern deren Komplexität zu vermitteln und in die Lebenswirklichkeit zu übertragen.“ So kann man das sagen. Man könnte es auch anders formulieren. Aber Juroren sind auch nur Menschen. Und wenn schon in jeder zweiten Begründung von avanciert, engagiert, spartenübergreifend, partizipativ, Intervention, Recherche die Rede ist, muss man etwas variieren. Hauptsache gewonnen. Die Sprachartistik fällt unter die Rubrik Preis-Lametta.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„I am present but I don‘t exist“
West Off 2023 in Bonn, Köln und Düsseldorf – Prolog 11/23
Folgerichtiger Schritt
Urban Arts am Theater Oberhausen – Theater in NRW 08/23
And the winner is …
Auswahl der Mülheimer Theatertage – Theater in NRW 04/23
Der raue Charme des KAP1
Das FFT in Düsseldorf bezieht eine neue Spielstätte – Theater in NRW 11/21
Wozu Theater (noch) in der Lage ist
Die Kölner Tanz- und Theaterpreise 2020 – Bühne 12/20
„Theater ist wie ein Paralleluniversum“
Puck-Gewinnerin Fee Zweipfennig über ihre Arbeit – Interview 02/20
Lapidares Spiel
Theaterpreis Berlin 2020 – Theater in NRW 02/20
Theater und Identität
Verleihung der Kölner Tanz- und Theaterpreise 2019 – Bühne 12/19
Das Wüste lebt
Nominierungen der 30. Tanz- und Theaterpreise – Bühne 11/19
Wege zur Entscheidung (1)
Der Kunstsalon-Theaterpreis 2019 – Festival 08/19
Wege zur Entscheidung (2)
Der Kunstsalon-Theaterpreis 2019 – Festival 07/19
Vier Impulsgeber
Kölner Kulturpreis verliehen – Spezial 07/19
Das diffamierende Drittel
Einkommensunterschiede in der Kultur – Theater in NRW 12/23
Neues Publikum
Land NRW verstetigt das Förderprogramm Neue Wege – Theater in NRW 11/23
Analoge Zukunft?
Die Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund eröffnet ihren Neubau – Theater in NRW 10/23
Tausch zwischen Wien und Köln
Kay Voges wird Intendant des Kölner Schauspiels – Theater in NRW 09/23
Neue Allianzen
Bühnen suchen ihr Publikum – Theater in NRW 07/23
Interims-Intendant für den Neuanfang
Rafael Sanchez leitet ab 2024 das Schauspiel Köln – Theater in NRW 06/23
Knappheit und Kalkulation
Besucher:innenzahlen am Theater steigen – Theater in NRW 03/23
Gegen Ausbeutung und Machtmissbrauch
Klassenkämpferischer Wind weht durch die Theater – Theater in NRW 02/23
Mehr Solidarität wagen
Die Theater experimentieren mit Eintrittspreisen – Theater in NRW 01/23
Zeichenhafte Reduktion
NRW-Kunstpreis an Bühnenbildner Johannes Schütz verliehen – Theater in NRW 12/22
Bessere Konditionen
EU stärkt Solo-Selbstständige im Theater – Theater in NRW 11/22