Wenn Friedrich Schillers Räuber friedlich im flachen Teich schlummern, über ihnen der volle Mond und im Hintergrund die dunkle Landschaft, dann ist das schon ein schönes Bild. Konsequenterweise wird es in der Kölner Schauspiel-Inszenierung von Ersan Mondtag niemals mehr Tag, alle krauchen lichtscheu durch das intrigante Drama um Freiheit, taumeln zwischen Liebe und Gewalt. Mondtag hat dazu die Hauptrollen geschlechtergespiegelt, eine Regieidee, die zeitgenössisch scheint (weil sie sich zurzeit häuft), die aber außer ein paar netten Figuren-Konstellationen inhaltlich doch nichts weitergebracht hat und auch der angefügte Monolog über die Freiheit von Carolin Emcke – geschenkt. Fast vier Stunden Lebenszeit hat der Abend verbraucht, ein paar Gräuel wurden erspart, alles ward gemeuchelt oder nicht, alles getreu geschillert, der Bau der sittlichen Welt wurde allerdings nicht erschüttert, selbst die paar Buhs am Premierenabend – auch geschenkt.
So ein bisschen erinnerte das Bühnenbild (auch Ersan Mondtag) auch an die dunklen Wälder mit hellem Vollmond von Max Ernst, manche Pose hätte auch von Caspar David Friedrich stammen können. Dazu schaffen enge Bühnen-Scheinwerfer immer wieder Schattenbilder und eine digitale Leinwand generiert Landschaften und zeigt einige Szenen plein air, bemerkenswerterweise auch mal fernab böhmischer Wälder auf den Externsteinen im Teutoburger Forst. Als Dauerschleife ruft das Käuzchen, faucht das Kätzchen, säuselt die Musik, in der Mitte der Szenerie der regierende Graf von Moor (Bruno Cathomas, der Lichtblick des dunklen Abends) als Saddam Statue, die auch noch wie einst im April 2003 umgerissen wird, was etwas peinlich wirkt. Und nochmal, „die“ Karl Moor (Lola Klamroth) muss sich als Räuberhauptmann gegen ihre brutale Truppe schon mächtig durchsetzen, ordentlich fechten muss sie auch, wie alle. Dazu hat sie ab und an vier Musketierinnen hinter sich, die singen und mittun und die Szenerie zusätzlich verwirren, so richtig nimmt man „der“ Karl die Rolle – im Gegensatz zu Sophia Burtscher als Franz Moor – aber nicht ab. Franz im zartrosa Tageskleid manipuliert, kontrolliert geschickt die armen Memmen um ihn herum. „Frauen können auch böse sein“, flüstert eine Zuschauerin beim Gang in die Pause hinter mir zu ihrem Mann, wiedergekommen sind sie nicht. Die Erkenntnis reichte wohl nicht aus.
„Die Räuber“ | R: Ersan Mondtag | Fr 5., 13., 18., 26., 30.4. 19.30 Uhr | Schauspiel Köln, Depot 1 | 0221 22 12 84 00
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