Janis (Penelope Cruz) freut sich sehr, als sie recht spät noch schwanger wird. Ana (Milena Smit) hingegen ist gerade erst 17 Jahre alt, als sie ungewollt ein Baby bekommt. Zufällig liegen beide Frauen auf derselben Station, wo Janis versucht, dem Teenager Mut zu machen. Nach der Entbindung trennen sich zunächst die Wege der ungleichen Mütter. Janis genießt ihr Mutterdasein, doch irgendetwas stimmt nicht. Zugleich subtil und spannungsvoll lüftet Pedro Almodóvar in seinem neuen Film „Parallele Mütter“ (Cinenova, Lichtspiele Kalk, Odeon, OmU im OFF Broadway) peu à peu ein Geheimnis. Penelope Cruz spielt genial eine Frau, die langsam eine schreckliche Wahrheit erahnt und diese lange verdrängt. Doch am Ende kann sie nicht anders als sich der Tatsache zu stellen. Sie nimmt wieder Kontakt zu Ana auf, deren Kind in der Zwischenzeit gestorben ist. Mehr zu verraten wäre ein unverzeihlicher Spoiler.
Mit „Blue Bayou“ (Cineplex, Rex am Ring) widmet sich Regisseur Justin Chon einem konkreten Konflikt in seiner Heimat: der Abschiebepraxis. Chon übernimmt selbst die männliche Hauptrolle: Antonio, der als Dreijähriger von einer amerikanischen Familie adoptiert wurde. Heute ist er glücklich mit Kathy (Alicia Vikander) verheiratet. Sie erwartet ein Kind von ihm, zu seiner Stieftochter Jessie hat er, im Spaß wie im Ernst, einen guten Draht. Überschattet wird die Beziehung von der finanziellen Situation der Familie und von Kathys Ex-Freund Ace (Mark O’Brien), dem Vater von Jessie, der sich mit Kathy um das Sorgerecht streitet. Ace ist Polizist, bei einer Begegnung im Supermarkt eskaliert die Situation: Nach einer Provokation durch Aces rassistischenKollegen, wird Antonio festgenommen. Erst seit dem Jahr 2000 gewährt ein Gesetz adoptierten Immigranten die Staatsbürgerschaft. Rückwirkend gilt das Gesetz nicht. Antonio, seit 33 Jahren in den USA, steht also unversehens vor der Abschiebung. Chon wurde zu seinem Drama von Nachrichtenartikeln über Adoptivkinder aus Südkorea inspiriert. An 30 Tagen auf 16-Milimeter gedreht, sucht der Regisseur ein Höchstmaß an Authentizität, an Unmittelbarkeit und Identifikationsmöglichkeit. Vorbild ist ihm nach eigener Aussage John Cassavetes und das Independent Cinema. Auch wenn manche Jazz-Schleife oder Schmutzpartikel am Bildrand inszeniert wirken, gelingt es dem Regisseur insgesamt, die angestrebte Tonalität zu erreichen, mit der sein Film nah dran ist am Wahrhaftigen. Das wird zusätzlich unterstützt durch Chons erzählerische Reife.
„Für mich ein Traum, für ihn eine Verabredung“: Der französische Autor Sylvain Tesson wird von dem Wildfotografen Vincent Muniert dazu eingeladen, sich gemeinsam in Tibet auf die Suche nach einem Schneeleoparden zu begeben. Der Bestand dieser Gattung ist stark gefährdet. Gemeinsam treten die beiden Männer ihre Suche an, von der Kamera begleitet durch Steppe, Gebirge und Täler, durch Nacht, Schnee, Nebel und wärmenden Sonnenstrahl. „Der Schneeleopard“ (Cinenova, Odeon, Weisshaus) ist eine kleine Offenbarung. Und das nicht bloß wegen der sagenhaften Filmbilder und Fotografien von Landschaft und Tierwelt, die Muniert und seine Co-Regisseurin Marie Amiguet elegant ins Geschehen einbinden. Das Besondere hier ist der Geist: Die Reise entwickelt sich für Tesson zur spirituellen Reise, zur Läuterung, zur inneren Rückbesinnung. Zu einer kleinen Odyssee, auf der die Gefährten gemeinsam schleichen, lauern, lauschen, sinnieren, Fährten lesen, miteinander ausharren und ausdauern. Auf der Tesson Sinne und Sinnlichkeit neu entdeckt.
Gewalt und Frauenfeindlichkeit sind in der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez über die Maße an der Tagesordnung. Drei Frauen leisten tatkräftig Widerstand gegen die Hochburg des Femizids: Aus dem Lucha Libre-Ring heraus stellen sich die Wrestlerinnen Lady Candy, Mini Sirenita und Baby Star öffentlichkeitswirksam dem Machismus und verleihen den Opfern eine Stimme. Paola Calvo und Patrick Jasim portraitieren in ihrer Doku „Luchadoras“ (OmU in der Filmpalette) drei echte Superheldinnen.
Das Regieduo Paola Calvo und Patrick Jasim ist am Donnerstag, 10.3. um 20 Uhr zu Gast in der Filmpalette.
Außerdem neu in den Kinos: Alison Kuhns #MeToo-Doku „The Case You - Ein Fall von vielen“ (Odeon), Petra Seegers Familiengeschichte „Vatersland“ (Filmpalette, Bonner Kinemathek), Nicolas Benamous Krimigroteske „Mord in St. Tropez“ (Cinedom, UCI), Peter Hutchings' Romanverfilmung „Küss mich, Mistkerl“ (Cinedom, Cineplex, UCI) und Jeff Tremaines neuester Stunt-und Aua-Blödsinn „Jackass Forever“ (Cinedom, Cineplex, UCI).
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