Inisherin ist eine kleine Insel vor der Westküste Irlands. Es ist das Jahr 1923. Der anschwellende irische Bürgerkrieg weht akustisch zu der kleinen Insel hinüber - und findet seine Entsprechung in Padraic (Colin Farrell) und Colm (Brendan Gleeson). Sie sind schon lange befreundet, wahrscheinlich seit Jahrzehnten. Täglich haben sie sich am Nachmittag im Pub getroffen, um gemeinsam ihr Bier zu trinken und über dies und das zu plaudern. Bis zu dem Tag, als Padraic, wie üblich, von seinem kleinen Steinhaus über den Weg oberhalb der Küste zu Colms Hütte am Meer spaziert, um seinen mit Hund alleine lebenden Freund für das gemeinsame Bier abzuholen und Colm nicht mitkommen will. Nicht jetzt, nicht später und auch nicht morgen oder übermorgen. Nie wieder. „Und warum?“, fragt Padraic, verständlicherweise irritiert. Weil Colm ihn nicht mehr mag und seine Zeit nicht mehr mit ihm und den langweiligen, nichtssagenden Gesprächen im Pub vergeuden will. Stattdessen möchte er mehr Fiddle spielen und Lieder komponieren. Was nun folgt, ist ein nicht untypisches Szenario für einen Film von Martin McDonagh. Nach „Brügge sehen … und sterben?“ und „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ kommt nun McDonaghs neuer Film „The Banshees of Inisherin“ (Cinenova, Odeon, Weisshaus, OmU im Cinenova, in der Filmpalette, im Odeon und OFF Broadway) in die Kinos. Das komplexe Figurenarsenal aus „Three Billboards …“ weicht zwei Haupt- und wenigen, dafür sehr spannenden, großartig besetzen Nebenfiguren (allen voran Kerry Condon als Padraics Schwester Siobhan und Barry Keoghan als Sohn des örtlichen Polizisten), die in einem noch viel kleineren Ort als Ebbing in Missouri leben. Hier gibt es einen beschaulichen Hafen, einen Laden und ein paar Häuser. Padraic und Colm leben außerhalb, und auch der Pub liegt einsam oberhalb der Klippen. Gelegenheit für ruhige, beeindruckende Aufnahmen der weiten Landschaft und der langen Wege der Protagonisten, die in dieser Gegend so winzig und wirkungslos aussehen, wie sie sich fühlen.
In den 1980ern kommt mit François Mitterrand in Frankreich nicht nur ein neuer Staatspräsident an die Macht; die Pariserin Élisabeth (Charlotte Gainsbourg) und ihre fast erwachsenen Kinder Matthias (Quito Rayon-Richter) und Judith (Megan Northam) müssen sich auch privat neu sortieren: Der Vater hat die Familie verlassen, und vor allem für die Mutter ist der Neuanfang (auch beruflich) eine große Herausforderung. Regisseur Mikhaël Hers begleitet das Trio, das bald noch eine junge Vagabundin (Noée Abita) bei sich aufnehmen wird, in „Passagiere der Nacht“ (OmU im Filmhaus und in den Lichtspielen Kalk) durch eine Phase des Wandels und kreist feinfühlig und schwebend um den Umgang der exzellent gespielten Figuren mit den Unbeständigkeiten und Ungewissheiten des Lebens, um die Fliehkräfte, die sie auseinander treiben, aber auch um das, was sie als Familie verbindet.
Außerdem neu in den Kinos: Cyril Schäublins hochaktuelles Historiendrama „Unruh“ (OmU in der Filmpalette und Bonner Kinemathek), Guy Ritchies lässiger Agentenkrimi „Operation Fortune“ (Cinedom, Cineplex, Rex am Ring, UCI, OmU im Metropolis, OV im Cinedom, Rex am Ring und UCI) und Pierre Corés immergrüne Mensch-Tier-Geschichte „Belle & Sebastian - Ein Sommer voller Abenteuer“ (Cinedom, Rex am Ring, UCI).
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