Das letzte Jahr war kein gutes Jahr fürs deutsche Kino. Gerade hat die Filmförderungsanstalt (FFA) ihre Zahlen veröffentlicht: 105,4 Millionen Tickets wurden letztes Jahr verkauft. Das sind so wenige wie seit 25 Jahren nicht mehr. Und das, obwohl die Zahl der Kinos weiter steigt. Die Gründe liegen der FFA zufolge auf der Hand: es war ein heißer Sommer, es war Fußball-WM, und es gab keinen einzigen Blockbuster.Also keinen Film mit mehr als vier Millionen Zuschauern. Kein „Star Wars“, kein „Fack ju Göhte“. Und auch kein Til Schweiger. Interessant ist bei dieser Begründung: an denStreamingdiensten liegt es nicht. Denn bereits letztes Jahr hat die FFA gezeigt: wer Filme zuhause streamt, geht auch mehr ins Kino. Mit Blick darauf ist es erstaunlich, dass für viele Filmliebhaber Streamingdienste noch immer der Gegner sind. Egal ob Berlinale oder Oscars, überall wird direkt oder indirekt über einen Ausschluss von Netflix & Co. diskutiert.
Nehmen wir zum Beispiel denneugegründeten Hauptverband Cinephilie. Ein Zusammenschluss von Filmschaffenden, Verleiher*innen, Kritiker*innen und Kinobetreiber*innen, der in seiner ersten Erklärung nicht weniger als den Notstand der Filmkultur ausruft: „Wir rufen den Notstand der Filmkultur aus, wir rufen auf zur Cinephilie!“ Dieser Aufruf wirkt ein wenig verzweifelt, zumal er bisher nicht mehr ist, als eben genau das: ein Aufruf. Konkrete Vorschläge fehlen in dem Plädoyer. Dafür sparen die Initiatoren nicht an Schlüsselbegriffen wie „Diversität“, „Gendergerechtigkeit“ und „Freiräume“. Das sind vage aber wichtige Ziele, die sich allerdings nur erreichen lassen, wenn der Verband sich öffnet. Bisher werden in dem Aufruf Film und Kino als Synonyme verwendet. Das sind sie aber schon lange nicht mehr. Film war schon immer losgelöst von der großen Leinwand. Durch die Streamingdienste hat sich das verschärft. Das muss aber keine negative Entwicklung sein. Denn was viele Streamer verbindet, ist genau die Liebe zum Film, die der Hauptverband in seinem Aufruf einfordert. Sich diese Liebe nutzbar machen, darum sollte es den Kinos gehen. Dabei könnte ihnen nun genau eine weitere Streamingplattform helfen.
LaCinethek ist eine europaweite Plattform für Filmklassiker: wichtige Werke aus der Filmgeschichte, die auf den klassischen Plattformen bisher nicht verfügbar waren, kuratiert von Filmemacher*innen aus der ganzen Welt, darunter Maren Ade,Todd Haynes und Park Chan-wook. Sie haben Filme ausgewählt, die für sie prägend waren. Auf diese Weise wird Liebe zum Film geteilt. Es wird Filmwissen weitergegeben und Filmkultur wird mit Begeisterung gefeiert. Letztlich also genau das, was der Hauptverband Cinephilie fordert. Es würde den Unterstützern also helfen, wenn sie sich dafür öffneten. Wenn sie Film losgelöst vom Kino feierten. Denn nur so kann auch die Liebe zum Kino wieder wachsen. Und dann kann dieses Jahr wieder ein gutes Jahr fürs Kino werden.
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