The Banshees of Inisherin
Irland, USA 2022, Laufzeit: 114 Min., FSK 16
Regie: Martin McDonagh
Darsteller: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon
>> www.banshees-film.de/
Slow Irish island life
Matt513 (258), 15.01.2023
Eine Viertelstunde lang könnte man meinen, McDonagh sei sich untreu geworden. Sehr gemessen kommt seine neueste Erzählung, wie üblich von ihm selbst geschrieben, in Gang. Man denkt, er habe sich so sehr in die herbe Schönheit der westirischen Inselwelt verguckt, daß sein Film von nichts anderem handeln wird, und die eingangs kargen Dialoge unterstützen dies.
Bald stellt man erleichtert den eigenen Irrtum fest. Ganz der alte, hat McDonagh uns eine wunderbare, gleichsam wie üblich aufwühlende Geschichte hingestellt.
Abrupte Beendigung von Freundschaft ist in sich bereits tragisch. Viele Gründe kann es dafür geben. McDonagh entscheidet sich für einen radikalen, der die menschliche Existenz im Kern betrifft. Ein Leben lang umgeben von Menschen, von denen jeder mehr unreflektiert den Tag verbringt, macht Colm sich daran, fortan seine limitierte Zeit auf Erden sinnvoll auszufüllen. Dem folgend, Sinn- und Nutzloses nun komplett zu vermeiden, wird die Freundschaft zu Pádraic gestrichen; dessen mit Colm geteilte Beobachtungen betrafen schon mal die Konsistenz der Fäkalien seines Maultiers.
Der Fokus weitet sich. Es ist dieses universale Motiv menschlichen Strebens, bedeutsame Spuren im Diesseits zu hinterlassen, das der Inselgeschichte unterlegt ist. Pádraics Dilemma wird nun sein, sich dem sich abwendenden Freund wieder schmackhaft zu machen, ohne sich dabei selbst zu verleugnen. Und McDonagh läßt ihm noch eine Hürde in den Weg stellen, die das Publikum schaudern macht. Es sind wiederum diese Momente; eben noch geschmunzelt, gleich wieder entsetzt im Sessel verkrochen, diese dialektisch angelegten Charaktere, die McDonaghs Werk auszeichnen. Wenn Colm den von der Willkür der Obrigkeit getroffenen Pádraic nach Hause chauffiert, ohne daß dies seinen Entschluß auch nur um ein Iota ändert, dann versteht letzterer die wahre Dimension, die der Verlust ihrer Freundschaft bedeutet. Ihm kommen die Tränen und mir als Zuschauer kamen sie auch. Da trifft McDonagh einen ganz tief und man ist dankbar dafür, daß dies kein verkappter Werbefilm für den Urlaub in Irland geworden ist.
Ich meine, von außen nimmt man nur ein romantisch-verklärtes Ideal des Lebens dort wahr. Die Werbung etwa bemüht stets knisternde Kaminfeuer, klackende Whiskeygläser zu gälischen Klängen, aber man macht sich keine Gedanken darüber, wie trist das Leben abseits einer kurzen Visite dort ist, wenn man immer bloß auf denselben Personenkreis beschränkt ist und ansonsten den ganzen Tag lang wenig bis gar nichts passiert. Welche Herausforderung es ist, darüber lebenslange Freundschaften zu pflegen, ohne irgendwann im Banalen zu landen.
Also, kein Werbefilm, zeugt er rein handwerklich vom Können, das McDonagh beim Filmemachen erreicht hat. Jede einzelne Einstellung ist sorgfältig arrangiert, ohne daß es manieristisch wirkt; sie macht genau da im Film Sinn. Und wenn eine der namensgebenden Todesfeen eine düstere Prophezeiung macht, hallt für einen Moment gar Shakespeare wider. Bravo.
Bereits mit mehreren Golden Globes dekoriert, wäre dies für mich ein klarer Kandidat für den Oscar. Es wäre auch eine gute sowie längst fällige Gelegenheit, die im übrigen demnächst so nicht mehr bestehen wird. Spätestens ab den übernächsten Oscars wird die Academy zwingende Qualifikationskriterien für die Bester Film-Kategorie vorschreiben. Von denen, so fürchte ich, erfüllt TBoI keine einzige. Für denselben Film in 2024 siedelte McDonagh auf derselben Insel am besten eine People of colour-community an. Pádraics Maultier könnte Down-Syndrom haben oder überhaupt, er und Colm wären einfach schwul. So oder so ähnlich. Sehen Sie's mir bitte nach, ich kann da nichts für. Hollywoke will es so.
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