
Mein fabelhaftes Verbrechen
Frankreich 2023, Laufzeit: 102 Min., FSK 12
Regie: François Ozon
Darsteller: Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Isabelle Huppert
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Hommage an die Screwball-Comedy mit feministischem Grundton
Absurder Augenschmaus
„Mein fabelhaftes Verbrechen“ von François Ozon
François Ozon zählt zu jenen Regisseur:innen, die man nicht sofort an ihrem Stil erkennt. Während man die Urheber der neuen Filme von Wes Anderson oder Aki Kaurismäki schon in der kürzesten Einstellung identifizieren könnte, gelingt einem das bei Ozon oft nicht einmal auf der ganzen Filmlänge: Drama, Komödie, Musical – das alles mal realistisch, mal komplett überdreht, mal schlicht, mal aufwendig inszeniert und auch mal ins Fantastische entfliehend – François Ozon ist ein Spieler, der alle Tasten der filmischen Klaviatur nutzt. Und so ist sein neuer Film „Mein fabelhaftes Verbrechen“ eine gelungene Hommage an die klassische Screwball-Comedy: Die junge Madeleine lebt als erfolglose Schauspielerin in Paris. Ein Treffen mit einem einflussreichen Produzenten ist ihre letzte Hoffnung … wieder einmal. Doch auch der will ihr nur an die Wäsche. Nach einem Gerangel stürmt sie aus dessen Villa direkt in ihr kleines Appartement, das sie mit der ebenso erfolglosen Pauline bewohnt. Kurz darauf erscheint ein Kommissar mit der überraschenden Nachricht, dass der Produzent ermordet wurde und Madeleine verdächtigt wird. Die streitet alles ab. Doch Pauline hat eine bessere Strategie. Sie übernimmt den Fall und plädiert auf Notwehr. Der Prozess erregt großes Aufsehen und wird zu einem Plädoyer für die Rechte der Frauen und gegen die Übergriffe der Männer. Dass nun allerorts Frauen die vermeintliche Mörderin als neues Vorbild sehen, ist die eine Sache. Dass sich nun aber jemand meldet und vor den beiden Frauen den Mord an dem Produzenten gesteht, wird zum Problem. Denn abgesehen davon, dass dann klar wäre, dass Madeleine vor Gericht gelogen hat, würde ihr der ganze Wirbel um ihre scheinbar feministische Tat vor die Füße fallen.
Das französische Theaterstück „Mon Crime“ von Georges Berr und Louis Verneuil aus dem Jahr 1934 ist die Vorlage für die quirlige Komödie, die ordentlich #metoo und Feminismus im Allgemeinen in das Drehbuch einbaut. Ozons Entscheidung, die historische Screwball-Komödie als Basis zu wählen, ist allerdings nicht allzu weit hergeholt. Denn bereits 1937 wurde das Theaterstück in Hollywood mit den Stars Carole Lombard und Fred MacMurray unter dem Titel „True Confession“ als – genau – Screwball-Komödie verfilmt. 1946 folgte außerdem eine zweite, ungleich unbekanntere Adaption unter dem Titel „Cross my Heart“. Die Screwball-Comedy war Mitte der 1930er bis Mitte der 1940er Jahre in Hollywood äußerst erfolgreich. Regisseure wie Frank Capra, George Cukor, Howard Hawks, Ernst Lubitsch und etwas später auch Billy Wilder realisierten damals einige Klassiker des Genres wie „Leoparden küsst man nicht“ (Hawks), „Serenade zu dritt“ (Lubitsch), „Mr. Deeds geht in die Stadt“ (Capra) oder „Manche mögen’s heiß“ (Wilder). Der Ausdruck Screwball kommt ursprünglich vom Baseball und bezeichnet einen unberechenbaren Ball. In den Komödien bezieht sich das auf die unberechenbaren Figuren und ihre schnellen, oft absurden Wortgefechte, die wie Ballwechsel hin und her fliegen. Thema der Filme ist der Kontrast zwischen Arm und Reich oder Mann und Frau. Vor allem bei letzterem fällt die Modernität, Stärke und Schlagfertigkeit des weiblichen Figurenarsenals auf. Und trotz des von 1934 bis 1964 verpflichtenden Hays-Codes zur Einhaltung moralischer Werte in Hollywood sind die Filme dieser Zeit auch auf Beziehungsebene äußerst progressiv.
All das beherzigt François Ozon in seiner Adaption, die im französischen Original den Titel des Theaterstücks – „Mon Crime“ – trägt, mit leichter Hand. Für Ozon, der oft seine libertäre Einstellung in moralischen und sexuellen Fragen in seinen Filmen zum Ausdruck bringt, bietet sich das Genre natürlich an. Vor dem Hintergrund der 30er Jahre mit seinem eleganten Art Déco und angesiedelt in Paris ist „Mein fabelhaftes Verbrechen“ alleine schon visuell ein Augenschmaus. Nach seinem Kammerspiel „Peter von Kant“ (2022), einer Fassbinder-Adaption, geht Ozon hier inszenatorisch in die Vollen: Vor farbenprächtiger Kulisse liefern sich die Jungdarstellerinnen Nadia Tereszkiewicz und Rebecca Marder als Madeleine und Pauline an der Seite der Altstars Fabrice Luchini, Dany Boon und Isabelle Huppert einen vergnüglichen, intelligenten Schlagabtausch, der immer wieder auf unsere Gegenwart anspielt.

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