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Maixabel – Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung

Maixabel – Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung
Spanien 2021, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: Icíar Bollaín
Darsteller: Blanca Portillo, Luis Tosar, María Cerezuela
>> maixabel.piffl-medien.de/

Intensives Drama um Gewalt, Trauer und Versöhnung

Eine ausgestreckte Hand
„Maixabel – Eine Geschichte von Liebe, Zorn und Hoffnung“
von Icíar Bollaín

Es liegt eine kaum fassbare emotionale Dichte, aber auch Widersprüchlichkeit in dieser Szene: Das Denkmal für den von der baskischen Terrororganisation ETA ermordeten Juan Marí Jáuregui, sozialistischer Ex-Gouverneur der Provinz Gipuzkoa, steht auf einer Wiese, dahinter sieht man die bergische Landschaft von Gipuzkoa. Eine Trauergemeinde hat sich eingefunden, die Stimmung ist leicht gelöst – der Tod von Jáuregui liegt mehr als zehn Jahre zurück, und die ETA hat inzwischen offiziell den Waffenstillstand verkündet. Doch als Maixabel Lasa (Blanca Portillo), die Witwe des ermordeten Jáuregui, zu der Gruppe stößt, zu der auch María (María Cerezuela), die Tochter des Ermordeten gehört, macht sich Unruhe, Beklemmung und auch Wut in der Trauergemeinde breit, denn neben Lasa steht Ibon Etxezarreta (Luis Tosar) – einer der Mörder ihres Mannes.
Das Unglaubliche beginnt viele Jahre früher ebenso unglaublich: Zwei Männer stehen in einem schönen alten Café an der Bar, dann setzten sie sich an einen Tisch. Kurz darauf schreiten zwei andere Männer mit forschem Schritt auf sie zu, einer zieht eine Pistole und schießt dem vorderen Mann in den Hinterkopf. Dann flüchten sie. Als kurz darauf in Maixabel Lasas Wohnung das Telefon klingelt, und kurz darauf nochmal, als sie nicht rangeht, weiß sie gleich: es ist passiert! Das Schlimmste, das am meisten befürchtete Drama, das, was sie seit Jahren als latente Angst mit sich herumträgt – die ETA hat ihren Mann ermordet. Ausgerechnet ihn, der sich seit Jahren für eine Versöhnung eingesetzt und versucht hat, die verfeindeten Parteien an einen Tisch zu bringen.
Mit friedlichen Motiven ist man in diesem Konflikt allerdings sehr gefährdet, denn Friede ist nur das Ziel Weniger. Die ETA, die baskische, separatistische Terrororganisation, wurde 1959 gegen das faschistische Franco-Regime gegründet. Zwischen 1960 und der Selbstauflösung im Jahr 2018 hat die ETA über 800 Menschen ermordet. Jáuregui war einst selber Mitglied der ETA. Als der Feind der Faschist Franco war, schien bewaffneter Widerstand durchaus legitim. Doch schon Anfang der 70er Jahre hat sich Jáuregui an den Gruppierungen orientiert, die einen friedlichen Protest befürworteten – erst Recht nach dem Tod Francos im Jahr 1975 und der Überwindung der Diktatur im Jahr 1977 mit den ersten freien Wahlen seit 1936 (die Diktatur ist ebenso wie die Taten der ETA in Spanien noch längst nicht aufgearbeitet).
Jáuregui wird immer mehr zur Zielscheibe, macht sich mit seinem Versuch der Versöhnung auf allen Seiten unbeliebt. Ein Blick unter das Auto, bevor er losfährt, ist seit einem versuchten Bombenattentat für ihn Routine. Begleitschutz lehnt der volksnahe Politiker aber grundsätzlich ab. Das wird ihm letztendlich zum Verhängnis. Erst hier setzt Icíar Bollaíns in 14 Sparten für den spanischen Filmpreis nominiertes Drama über diese wahre Begebenheit ein. Die Historie, die man Spaniern und vor allem Basken nicht lange erklären muss, weben die Figuren in ihren Dialogen selber ein, wenn sie von ihrem Alltag in ständiger Angst erzählen. Aber auch, wenn Täter sich erinnern, wie sie als Jugendliche von der ETA akquiriert wurden. Man sieht die vielsagenden, ängstlichen wie auch argwöhnischen Blicke der Menschen. Opfer werden bemitleidet oder verhöhnt, Täter werden gehasst oder gefeiert.
Wie es inmitten dieses aufgeladenen Klimas gelingen kann, zusammenzukommen – davon erzählt die vielfach gefeierte spanische Schauspielerin und Regisseurin („Und dann der Regen“, „Der Olivenbaum“, „Yuli“, „Rosas Hochzeit“) angesichts des Themas in überraschend ruhigen Bildern. Die Kamera beobachtet Maixabel, wie sie sich langsam aus der Trauer heraus in die Notwendigkeit einer positiven Wendung der Geschichte arbeitet. Der Film begleitet ebenso intim zwei der Täter, wie sie im Gefängnis und im Rahmen eines Sozialisationsprogramms nach und nach zur Reue finden und sich ihren Taten stellen – und schließlich auch ihren Opfern. Die Ruhe und Beharrlichkeit dieser aufeinander zulaufenden Bewegungen – die nicht ohne Rückschläge verläuft – entfaltet schließlich eine unglaubliche Kraft, die sogar in der aktuellen weltpolitischen Lage so etwas wie Hoffnung nicht ganz irrational erscheinen lässt.

(Christian Meyer-Pröpstl)

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