Eine Perle Ewigkeit
E/PER 2009, Laufzeit: 94 Min.
Regie: Claudia Llosa
Darsteller: Magaly Solier, Susi Sánchez, Efraín Solís, Marino Ballón, Antolín Prieto
Fausta trägt die vergangene Angst ihrer Mutter in sich. Als ihre Mutter stirbt, muss sie lernen, diese Angst loszulassen.
Fausta singt. Sie singt über ihre Angst. Oder besser: Sie singt über die Angst ihrer Mutter, die im peruanischen Bürgerkrieg der 80er Jahre vergewaltigt wurde – ihr Mann wurde getötet. „Die ängstliche Brust“ wird die psychosomatische Krankheit genannt, unter der Fausta aus der indigenen Gemeinschaft der Quechua leidet. Sie hat das Trauma ihrer Mutter mit der Muttermilch aufgesogen. Ihr ganzes Leben scheut sie nun schon, vor die Tür zu gehen, Fremden zu begegnen. Wenn die Angst Überhand nimmt, beginnt sie, das Unaussprechliche zu besingen. Auch als ihre Mutter stirbt, singt sie. Kurz darauf hat sie vaginale Blutungen – nicht das erste Mal – und kippt im Hof ihres Onkels, der gerade ein Hochzeitsfest vorbereitet, um. Ein Arzt stellt fest, dass sie seit einiger Zeit eine Kartoffel in ihrer Vagina hat, die die Blutung verursacht. Die Kartoffel soll sie vor einer Vergewaltigung schützen. Trotz ihrer Angstzustände ist Fausta nach dem Tod ihrer Mutter dazu gezwungen, eine Anstellung als Hausmädchen anzunehmen. Auf dem Weg von den Favelas am Stadtrand zu der Villa in der Innenstadt muss sie aber immer jemand begleiten. Ihre Arbeitgeberin ist eine gealterte Sängerin. Als diese die ergreifenden Lieder von Fausta hört, weiß sie das für ihre abgeflaute Karriere zu nutzen: Sie eignet sich Faustas Lieder an, dafür verspricht sie ihr Perlen, mit denen Fausta endlich das Begräbnis ihrer Mutter bezahlen kann.
„Eine Perle Ewigkeit“ arbeitet viel mit Gegensätzen. Da wäre der Gegensatz zwischen der verschlossenen Fausta und ihrer quirligen Verwandtschaft; der Gegensatz zwischen dem Leben in Form der zahlreichen Hochzeitsfeste, die der Onkel professionell arrangiert, und dem Tod, repräsentiert durch den unter dem Bett aufbewahrten Leichnam von Faustas Mutter; der Gegensatz zwischen der ärmlichen, staubigen Vorortsiedlung und der ruhigen Villa der Sängerin; der Gegensatz zwischen der indigenen Bevölkerung und der Bevölkerung europäischer Abstammung; der Gegensatz zwischen Mann und Frau – der Gegensatz zwischen Täter und Opfer.
Der Film ist offenkundig eine Parabel auf das Land, das nach Bürgerkrieg und Demokratisierungsprozess immer noch von einer Oligarchie beherrscht wird. Die Privatisierung im Land ist in vollem Gang. Noch im Sommer hat das Militär auf indigene Demonstranten geschossen, die gegen ein Freihandelsabkommen mit den USA protestierten – über 30 von ihnen starben. Sie wehren sich gegen die uneingeschränkte Ausbeutung ihrer Bodenschätze durch internationale Firmen. Magaly Solier, die bereits in Claudia Llosas Erstling „Madeinusa“ zu sehen war, ist selber eine Quechua. Sie spielt Faustas ängstliche Verschlossenheit mit einer irritierenden Präsenz. Solier, die im Film viel singt, ist auch Sängerin. Ihre Dankesrede für den Goldenen Bären bei der Berlinale 2009 hielt sie nicht nur auf Quechua, sie sang sie auch.
(Christian Meyer)
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