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Der verlorene Sohn

Der verlorene Sohn
USA 2018, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: Joel Edgerton
Darsteller: Lucas Hedges, Nicole Kidman, Russell Crowe
>> upig.de/micro/der-verlorene-sohn

Bewegendes Selbstfindungsdrama

Vom Weg abgekommen
„Der verlorene Sohn“ von Joel Edgerton

Bericht zur Lesung des Buchautors Garrard Conley

Wenn der eigene Vater am Sonntag von der Kanzel der Kirche predigt, dass er einen aufrichtigen und liebenswerten Sohn hat, dann kann das den Betreffenden durchaus mit gemischten Gefühlen zurücklassen. Sind diese Worte wirklich ehrlich gemeint, oder sollen sie nicht viel eher als Ansporn verstanden werden, diese in Erfüllung gehen zu lassen? Jared (Lucas Hedges aus „Ben is Back“) ist hin- und hergerissen, denn er weiß, dass sein Vater Marshall (Russell Crowe) Jareds bisherigen Lebensweg und die jüngsten Entwicklungen keinesfalls gutheißen kann. Denn Marshall hält sich akribisch an die Worte aus der Bibel und überträgt seine Ansichten als Baptistenprediger auch in den Alltag seiner Familie. Dass sich Jared unlängst als homosexuell geoutet hat, veranlasst Marshall und seine ihm treu ergebene Ehefrau Nancy (Nicole Kidman), den gemeinsamen Sohn an einem Seminar für Reparativtherapie teilnehmen zu lassen, bei der Jared gemeinsam mit anderen, „vom Weg abgekommenen“ Jugendlichen die sexuelle Orientierung ausgetrieben werden soll. Jared lässt sich auf die Behandlung ein, muss aber schon nach kurzer Zeit feststellen, dass die Mittel der so genannten „Therapeuten“ äußerst fragwürdig sind und viele der Teilnehmenden an psychische Grenzen stoßen, was von den Kursleitern als notwendiges Übel auf dem Weg zu einem gottgefälligen und sündenfreien neuen Leben billigend in Kauf genommen wird.

So absurd und überholt uns das auf den ersten Blick vorkommen mag – Reparativtherapien sind auch im 21. Jahrhundert ein noch weit verbreitetes Mittel, um homosexuelle Heranwachsende von ihrer „krankhaften Veranlagung“ zu heilen. „Der verlorene Sohn“ basiert auf der autobiografischen Erzählung „Boy Erased“ von Garrard Conley, der darin seine eigenen Erlebnisse in einem Umerziehungslager schildert und mit der Veröffentlichung seines Buches im Jahr 2016 auf die vielfältigen Probleme und negativen Folgen einer solchen Therapie aufmerksam machen konnte. Die Ironie vieler dieser religiös motivierten Einrichtungen besteht darin, dass sie sich hinter Namen wie „Love in Action“ verbergen, obwohl in diesen Seminaren wahre Liebe bekämpft und die tatsächliche Natur eines Menschen unterdrückt werden sollen. Des Weiteren kommt es nicht selten vor, dass die Leiter derartiger Programme sich selbst als ex-homosexuell bezeichnen und dadurch offensichtlich wird, dass hier ein Teufelskreis auf perfide Weise aufrecht erhalten bleibt. Regisseur Joel Edgerton („Zero Dark Thirty“), der nach einigen Kurzfilmen und seinem Debüt „The Gift“ aus dem Jahr 2015 hier zum zweiten Mal einen Langfilm inszenierte, hat sich selbst in der Rolle eines solchen Seminarleiters in Szene gesetzt und dabei auch sehr geschickt vermieden, in Schwarzweißmalerei zu verfallen. Zwar geht der Film nicht so weit, auch diesem engagierten Bekämpfer von Homosexualität einen differenzierten Hintergrund zu widmen. Aber allein die Tatsache, dass uns der Nachspann enthüllt, dass dessen reales Vorbild die Organisation mittlerweile verlassen hat und mit einem anderen Mann zusammenlebt, spricht schon Bände.

Filme wie „Der verlorene Sohn“ sollten zwar in erster Linie ein US-amerikanisches Publikum erreichen, das mancherorts für die vermeintlichen Lösungen, die ein Umerziehungscamp wie dieses anpreist, sehr empfänglich ist. Andererseits formen sich auch hierzulande mit Organisationen wie den „besorgten Eltern“ wieder verstärkt konservative oder unbelehrbar gestrige Bündnisse, die gedanklich von der Reparativtherapie gar nicht weit entfernt sind. Joel Edgerton setzt mit seinem Film ein Zeichen, dass es schlichtweg falsch ist, die Natur eines Menschen ändern zu wollen. Obwohl es dabei auch oft um Wut und das Missverständnis zwischen den Generationen geht, stellt der Regisseur die Eltern nie als Sündenböcke dar, sondern vielmehr selbst als fehlgeleitete, „vom Weg abgekommene“ Menschen. Es wäre schön, wenn Filme wie dieser dazu beitragen würden, derartige Themen mal aus der anderen Perspektive wahrzunehmen.

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(Frank Brenner)

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