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„Traurigkeit & Melancholie“
Foto:Thilo Beu

Die Müdigkeit der Dekadenz

25. Juni 2015

Bonn Park stimmt melancholisch in Bonn – Theater am Rhein 07/15

Wie fühlt es sich an, als letzter seiner Art zu sterben? Einsam dem Untergang der eigenen Zivilisation beizuwohnen? Lonesome George, eine Riesenschildkröte von den Galapagos-Inseln, starb als letztes Exemplar seiner Gattung 2012. Der junge Autor Bonn Park errichtet dem vorzeitlichen Untier nun ein Epitaph. Sein Stück „Traurigkeit & Melancholie“ feiert George als hunderttausende Jahre alten Beobachter der Evolution, der nur noch sterben will. Eiszeit, Rom, Waterloo, Phnom Pen, Krim – alles gesehen. George, das sind Maya, Daniel und Hajo – gespielt von Maya Haddad, Daniel Breitfelder und Hajo Tuschy. Sie hocken in ihren gelbgemusterten Kostümen mit Gras-Epauletten auf einem Sofa, mitten in einem grauen Tempel mit Säulen. Jeder darf an dem Abend mal ran, darf sich den Panzer streicheln, das Kinn graulen lassen – bis der Buzzer ertönt. Dann erzählt das Trio eine wiederkehrende Rapunzelstory. Was zunächst ins comichafte Showformat aufgedreht ist, wird allmählich immer lustloser und öder. Dazwischen kauert George am Tempelrand, während Autos vorbeirasen und Musikfetzen aus der gesamten Musikgeschichte zu hören sind. Dann geht Maya ihm an die Wäsche, doch er dreht desinteressiert den Kopf einfach nur nach vorne, um zu fressen – bis die Blumen zwischen Mayas Beinen sprießen.

Bonn Parks Stück strahlt die komische Müdigkeit einer kulturkritischen Dekadenz aus. Regisseurin Mina Salehpour findet dafür eine gelungene Balance zwischen Überdrehtheit und Trauer, die sich jeder Sentimentalität verweigert. Immer wieder spielt die Inszenierung mit dem Motiv der vergehenden Zeit, dehnt die Szenen oder beschleunigt sie, lässt sie in Sprachschleifen und Wiederholungen stranden. Die Einsamkeit und der Narzissmus sind die zweite Spur des Abends. Sehr düster etwa Georges Geschichte einer gelingenden Kommunikation, die zur Zweisamkeit, zur Familie führt, bis doch die ganze Welt in grenzenloser Selbstliebe implodiert. Und am Ende steht eine so groteske wie endlose kapitalistische Tauschgeschichte, die in eine finale Katastrophe mündet. Aber vielleicht ist George ja gar kein Individuum sondern nur ein gelangweilter Buddha.

„Traurigkeit & Melancholie“ | R: Mina Salehpour | Theater Bonn Werkstatt | WA ab 2.10. | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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