„Grauenhaft“, lautete knapp das vernichtende Urteil der Bäckereiverkäuferin. Wir waren neulich über einer Tüte Sonntagsbrötchen in ein kurzes Gespräch über die Verfilmungen der „Tribute von Panem“-Trilogie gekommen, als die Dame einen Anstecker an meiner Jacke eindeutig als Spotttölpel identifiziert hatte und daraufhin erzählte, wie sehr sie die Bücher geliebt hätte. Die Filme, nun ja, die mochte sie gar nicht. Ist das nicht immer so? Sollte man nicht gerade um die Kinoadaptionen einen tunlichst großen Bogen machen, deren Romanvorlagen einem besonders am Herzen liegen?
Beruflich bedingt kann ich das zwar nicht, aber um Enttäuschungen zu vermeiden, schraube ich meine persönlichen Erwartungen in solchen Fällen sicherheitshalber eher weit herunter. Stephen-King-Verfilmungen zum Beispiel haben es bei mir tendenziell schwer. Die Werke des „Königs des Horrors“ gehören zu meinen „guilty pleasures“, ihre Adaptionen ließen mir meist aus anderen Gründen die Haare zu Berge stehen. Stanley Kubricks „Shining“, ausgerechnet die Adaption, die King selbst so sehr missfiel, dass er für eine neue Version selbst das Drehbuch schrieb und produzierte, ist für mich die am besten gelungene Interpretation. Brian De Palmas „Carrie“ folgt dicht dahinter. Aber sonst? Schwierig.
Dennoch: Romanverfilmungen gehen gut; jeden Monat gelangt mehr oder weniger bekannter literarischer Stoff auf die große Leinwand. Auf der Seite der Produzenten und der beteiligten Kreativen sind sie beliebt, weil sie ein geringeres Risiko darstellen. Was sich schon am Bestsellertisch gut verkaufte, lockt tendenziell Massen von Lesern an die Kinokassen. Die sich wider besseren Wissens immer wieder auf dieses Abenteuer einlassen. Dabei scheitern ja viele Adaptionen gar nicht auf ganzer Linie. Die wichtigsten Handlungselemente und Figuren sind meist vorhanden, auch wenn sich über so manche Schauspielerbesetzung streiten lässt. Aber ist es nicht viel schlimmer, wenn man eine bloße Nacherzählung des bereits Gelesenen zu sehen bekommt? Langweilige Mittelmäßigkeit kann weitaus schlimmer sein als ambitioniertes Scheitern. Und im gelungenen Fall liefern Buchadaptionen doch – wie alle Filme – einen eindeutigen und sichtbaren Einblick in die Fantasie eines anderen. Besonders frei für fremde Interpretationen ist man wohl, wenn man die Vorlage gar nicht gelesen hat, sondern erst durch einen Film zu deren Lektüre inspiriert wird.
Mir ging es so mit Sarah Kuttners Romandebüt „Mängelexemplar“. Hatte mich nie interessiert, aber die Spielfilmversion von Laura Lackmann machte mich neugierig auf das „Original“. Die Drehbuchautorin und Regisseurin hatte – so schrieb sie während ihrer Arbeit an dem Stoff in einem Essay – selbst schon früh diese typisch leidvolle Erfahrung einer Leserin gemacht. Sie war sieben und weinte um den Drachen Fuchur, der in Wolfang Petersens Fassung der „Unendlichen Geschichte“ so viel weniger konnte als in ihrer Fantasie. Das Kino im Kopf besitzt eben Stärken, mit denen die Regie von anderen nur schwer konkurrieren kann.
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