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Die höher Qualifizierten fallen bei der Debatte oft unter den Tisch.
Foto: Mira Moroz

„Die Arbeiter unterbieten sich gegenseitig im Preis“

27. Juni 2013

Horst Küsters über das Engagement der Initiative MigrAr – Thema 07/13 Willkommen

choices: Herr Küsters, wie hilft die Gewerkschaft Arbeitsmigranten?
Horst Küsters: Wir, die Initiative MigrAr in der ver.di, richten uns an Menschen, die in Deutschland arbeiten, egal ob mit oder ohne Papiere. Wir sind Spezialisten im Arbeits- und Sozialrecht und zielen darauf ab, Beratung im Arbeitsrecht zu geben. Für andere, eher alltägliche Fragen sind wir mit anderen Stellen, z. B. Caritas und Diakonie oder auch dem ROM e.V., vernetzt.

Mit welchen Fällen wird MigrAr in Köln konfrontiert?

Horst Küsters
Foto: CW
Horst Küsters ist ehrenamtlich in der Initiative MigrAr bei ver.di tätig, die sich um die Betreuung von Arbeitsmigranten kümmert.

Der Bekannteste ist sicherlich der von 19 polnischen Bauarbeitern. Diese wurden in Köln bei einer Firma beschäftigt und erhielten statt des versprochenen Lohns 50 Euro im Monat für Essen und halt eine Unterkunft. Als ich mit denen in Kontakt kam, hatten die erst mal Hunger. Wir haben dann einige Prozesse geführt. Die Firma hatte in der Zwischenzeit Insolvenz abgemeldet, aber wir haben Zugriff auf die Insolvenzmasse eingeklagt und zumindest einen Teil der ausstehenden Löhne bekommen. Es sind aber noch nicht alle Prozesse abgeschlossen. Zwei der Arbeiter konnten wir auch auf gute Stellen vermitteln. Aktuell haben wir noch mit 10 bis 12 Fällen aus der Hausarbeit und Pflege zu tun.

Was sind denn die gravierendsten Verstöße von Unternehmen gegen das Arbeitsrecht?
Vorenthalten des Lohns, kein Urlaub, keine Anmeldung bei der Sozialversicherung – das reicht ja eigentlich schon.

Wieso bleiben denn solche Verstöße so lange unentdeckt?
Im Fall der polnischen Arbeiter gab es ein ausgeklügeltes System aus Subunternehmern. Die Arbeiter wurden alle ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung angemeldet, aber keine Beiträge gezahlt. Weil es aber immer ein neues Subunternehmen war, haben die Behörden das nicht mitbekommen. Die Arbeiter selbst haben hier in Massenunterkünften gelebt und waren abgeschottet von der Außenwelt. Bei Bankgeschäften ist zum Beispiel immer jemand mitgekommen.

Ist es denn leicht, mit Arbeitsmigranten in Kontakt zu kommen?
Im Fall der polnischen Migranten schon. Jemand hatte mir das erzählt, und bei denen hatte sich genügend Druck aufgebaut, so dass sie ihre Ängste überwunden haben. Einer ist sogar in der Gewerkschaft gewesen. Woanders ist es schwieriger. Leute in Pflegeberufen sind oft sehr isoliert. Unsere Fälle aus der Pflege haben sich auf einen Zeitungsartikel bei uns gemeldet. Und beim sogenannten „Arbeiterstrich“ in der Venloer Straße haben wir Flyer verteilt, aber ohne Erfolg.

Woher kommt das?
Viele der bulgarischen und rumänischen Migranten wissen nicht, was eine Gewerkschaft ist. Da gibt es Berührungsängste. Die Arbeiter unterbieten sich gegenseitig im Preis und stehen in Konkurrenz zueinander. Und wir haben aktuell auch niemanden, der Rumänisch oder Bulgarisch spricht.

Wie reagieren denn die Gerichte, wenn Arbeitsmigranten klagen?
Ich habe da noch keine Vorbehalte erlebt. Nur in einem Fall hat eine Richterin 10 Monate von der Klage bis zum ersten Verhandlungstag verstreichen lassen. Aber das ist richterliche Freiheit, da kann man juristisch nichts machen.

INTERVIEW: CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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