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Um zu herrschen braucht man „ein kaltes Herz“
Foto: Mira Moroz

Der unbedingte Wille zur Macht

31. Oktober 2013

Verdis Oper „Macbeth“ – Opernzeit 11/13

Verdi bricht in seiner ersten Shakespeare-Vertonung radikal mit dem Genre des Belcanto und zeigt die Konsequenzen eines entmoralisierten Machtstrebens auf: Ein Herrscher stürzt sein Land in Krieg und Zerstörung.

Macbeth ist ein zwiespältiger Charakter. Als siegreicher Held kehrt er aus dem Krieg zurück, der ihn brutalisiert hat. Hexen, Projektionen seiner obsessiven Herrschsucht, sagen ihm die Machtergreifung voraus, doch schreckt er vor dem Attentat auf den König zurück. In Friedenszeiten erscheint er als labiler Mensch, der seine Aggressionen zurückhält und zwischen Tat und Verzicht schwankt, eine Ambivalenz, aus der ihn erst seine Frau, Lady Macbeth, befreit. „Voller Verbrechen ist der Weg zur Macht und wehe dem, der den Fuß zweifelnd aufsetzt und zurückweicht“, stachelt sie ihren Mann zum Königsmord an. Sie vergleicht sein Zögern mit dem erotischen Begehren und der Unfähigkeit, es zu vollziehen. Durch das Verbrechen soll er seine Manneskraft unter Beweis stellen.

Die Geschlechterrollen verkehren sich: Sie wird ihm zur Herrin, er nennt sie seine „fatal donna“ („verhängnisvolle Frau“) oder „voce nel petto“ („Stimme in der Brust“). Erst durch ihren Einfluss wird er zu dem, der er eigentlich ist.

Der Wille zur Macht des Herrscherpaares ist von keiner politischen Vision geprägt, sondern dient allein der pervertierten Selbstwerterhöhung auf Kosten des erniedrigten Volkes. Man brauche „ein kaltes Herz“, um aufzusteigen und zu herrschen, lehrt die Lady ihren Mann, am Ende scheitern beide an ihrer Hybris. Die Lady nimmt sich vereinsamt und psychisch zerstört das Leben, Macbeth fällt in der Schlacht. Der rechtmäßige Thronfolger tritt ein schweres Erbe an: Der martialische Schlusschor der zweiten Fassung der Oper gibt wenig Hoffnung auf Frieden und Freiheit – der blutige Kreislauf der Macht wird sich fortsetzen.

Shakespeare war 1846 in Italien nahezu unbekannt und auf der Opernbühne einzig durch Rossinis „Otello“ eingeführt. Verdi erkannte in „Macbeth“ sofort die musikdramatische Qualität, in der großen Schlafwandelszene der Lady vor ihrem Selbstmord sah er „eine der erhabensten Schöpfungen für das Theater“. Von seinem Librettisten Piave verlangte Verdi einen knappen Stil und wenig Worte. Die Wahrhaftigkeit der Charaktere stand für ihn im Mittelpunkt. Wort und Musik sollten untrennbar miteinander verbunden sein, die Bedeutung eines jeden Wortes sollte in Gesang und Darstellung zum Ausdruck kommen.

Wie wenig Verdi mit der Opernkonvention seiner Zeit im Sinn hatte, wird deutlich, wenn er sich für die Lady eine Sängerin mit „einer rauen, erstickten, dumpfen Stimme“ wünschte, die etwas Teuflisches hat. Musikalisch zeichnet Verdi den Persönlichkeitszerfall der Lady in feinsten Nuancen im Orchester nach, und im Unterschied zu den gängigen Wahnsinnsszenen des Belcanto ist diese Musik Ausdruck psychischer Zerrüttung: Verdi schreckt nicht vor der Darstellung des Hässlichen zurück und verweigert sich dem schönen Schein der Musik.

Verdi war ein Mann des Theaters, dem es um die dramatische Wirkung auf der Bühne ging, allein auf die Rolle des Komponisten beschränkte er sich nicht. Über hundert Proben setzte er an, stritt unerbittlich mit Sängern und Librettist um seine künstlerischen Ansprüche – sein eiserner Wille führte zum Erfolg: Die Uraufführung im März 1847 in Florenz wurde begeistert vom Publikum aufgenommen.

„Macbeth“ I 1./3./6./8./16./21.11./4.12. I Aalto-Theater Essen

KERSTIN MARIA PÖHLER

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