Zwei Werke, ganz zu Beginn der Ausstellung, sagen viel: über das thematische Spektrum des Museums, über die Qualität der Sammlung und über die Jubiläumsausstellung selbst. Liu Hai, die große Bronzefigur, auf die man geradezu prallt, ist die daoistische Verkörperung des Gottes des Reichtums. In der demonstrativ erhobenen rechten Hand hält er einen Ring mit Geldmünzen – hier, in der Ausstellung, die die Erwerbungen und Leihgaben aus vier Jahrzehnten zeigt, ist dies noch als Hinweis auf die Bedürfnisse eines Museums im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zu verstehen. Die Figur ist eine Leihgabe aus Privatbesitz, und natürlich klingt in diesem Zusammenhang die Frage an, wie man derartige kapitale Werke auf Dauer binden kann und dass man sie sachgerecht aufbewahren und ihre Geschichte erforschen muss. Gleich an mehreren Stellen bezieht die Ausstellung Leihgaben, Schenkungen und mit außerordentlicher finanzieller Unterstützung erworbene Werke ein und betont so, dass es ohne das große Engagement der öffentlichen Hand und der Bürgerschaft nicht geht. Damit ist die Ausstellung auch eine Würdigung der Unterstützer des Museums.
Die Bronzeplastik von Liu Hai ist der Quing-Dynastie im China des 18. Jahrhunderts zuzuordnen, und sie deutet schon ganz direkt auf die Tradition der buddhistischen Kunst als Thema des Museums. Dazu zeigt die Ausstellung ein immenses Spektrum seit dem 6. Jahrhundert: von Kalligraphien, Hängerollen und Lackkunst über Skulpturen hin zu Gefäßen, Gewändern und Möbeln. Und zwar bis heute. Das belegt an der gegenüberliegenden Ausstellungswand die Tuschmalerei von Inoue Yuichi, der als einer der großen japanischen Maler des 20. Jahrhunderts auch im Westen bekannt ist. Er wurde 1959 zur Documenta II eingeladen, und aus seiner späteren Ausstellung in der Kölner Galerie Zwirner in den darauffolgenden Jahren ist das Bild „Haha“ erworben worden. Es zeigt in Meisterschaft etwas, was auch die westlichen Maler nach 1945 beschäftigt hat: die Versenkung und Konzentration, die von fernöstlicher Spiritualität initiiert ist. Die Kalligrafie lässt aus der Schrift ein Bild werden.
Die fernöstliche Kultur hatte den Westen da schon längst erreicht – etwa im Japonismus des 19. Jahrhunderts, durch die Öffnung der Handelswege – , und ein Paar, dasin der Epoche des Spätkolonialismus eine Sammlung zusammentrug, waren Adolf und Frieda Fischer: Auf diesem Bestand basierte das Kölner Museum, als es 1913 gegründet wurde. Später zeitweilig dem Museum für Angewandte Kunst unterstellt, musste die Sammlung lange ausgelagert werden. Erst der Neubau des japanischen Architekten Kunio Maekawa ermöglichte die Verbindung von Ausstellung, Sammlung und konservatorischer Sorgfalt. Seine Eröffnung vor 40 Jahren ist nun der Anlass der aktuellen Schau. „Alles unter dem Himmel“ betont also auch die Notwendigkeit dieses Museums; vorgestellt werden auch die bisherigen Ausstellungen anhand ihrer Plakate und die wissenschaftlichen Publikationen. Erst allmählich findet man in die Systematik der Jubiläumsausstellung, aber schließlich ist es so, wie der schöne, dem Chinesischen entlehnte Ausstellungstitel mitteilt: Die Welt wird in ihrer Vielfalt, die das ganze Leben durchdringt, aufgefächert. Das gelingt.
Alles unter dem Himmel | bis 30.6. | Museum für Ostasiatische Kunst | 0221 22 12 86 08
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