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Wiens ökologischer Alleingang

25. November 2020

Wien verbietet Glyphosat. Und scheitert an der EU – Europa-Vorbild: Österreich

Es währte nicht lange. Erst im Dezember 2019 beschloss Österreichs Parlament mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS ein Total-Verbot des Unkrautgifts Glyphosat. Bis die Europäische Kommission ihren Einspruch einlegte. Aus ihrer Sicht sei ein totales Verbot des chemischen Unkrautvernichtungsmittels nicht mit geltenden EU-Recht vereinbar, so die Argumentation. Österreich legte die Gesetzesvorlage im Mai 2020 in Brüssel ein. Hintergrund ist das sogenannte Notifizierungsverfahren der Europäischen Kommission. In diesem verpflichten sich die EU-Mitgliedsstaaten, die Kommission über bestimmte, binnenmarkt-relevante Gesetzesänderungen in Kenntnis zu setzen. Nach der Übermittlung beginnt eine Sperr- oder Stillhaltefrist.

In diesem Zeitraum ist es Österreich als vorlegenden Mitgliedsstaat untersagt, den betreffenden Rechtsakt in Kraft treten zu lassen. Wiens ökologischer Alleingang steht damit vorläufig auf der Kippe. Den Gesetzesentwurf für ein nationales Glyphosat-Verbot brachte die SPÖ ein, während die rechts-konservative ÖVP auf eine Unvereinbarkeit mit EU-Recht verwies. Die Regierungspartei, die auch das österreichische Landwirtschaftsministerium stellt, sieht sich durch die Argumentation der EU-Kommission in ihrer Haltung bestätigt: Brüssel sah keine Gründe, die spezifisch auf Österreich zutreffen und demnach ein nationales Verbot notwendig machen. Währenddessen kündigte die SPÖ an, am Vorhaben festzuhalten. Die Sozialdemokraten plädieren für einen parteiübergreifenden „Runden Tisch“, an dem Regierung, Opposition, Experten und Expertinnen ein Glyphosat-Verbot initiieren sollen.

Forscher:innen: Wirkstoff „wahrscheinlich krebserregend“

Glyphosat wird in der Landwirtschaft, im Gartenbau oder in der Industrie eingesetzt. Das in den 1970er Jahren vom US-Konzern Monsanto entwickelte Totalherbizid ist über die europäischen Grenzen hinaus umstritten. Umweltaktivistinnen, aber auch Wissenschaftler:innen stufen den Glyphosat-Einsatz etwa als Ursache des Bienensterbens ein. Gefahren bestehen auch für die Anwender:innen von Glyphosat. So bewertete eine Unterorganisation der WHO, die Internationale Krebsforschungsagentur IARC, das Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“.

Im Juni 2018 kaufte der deutsche Bayer-Konzern für 63 Milliarden Euro Monsanto auf. In den USA folgten bereits 11.200 Klagen, die mit Glyphosat zusammenhängen. Die zuständigen Gerichte entschieden, dass Monsanto für die Krebsrisiken durch das Unkrautvernichtungsmittel haftbar ist. Die Bayer-Tochter musste unter anderem Schadensersatz von über 80 Millionen Dollar an zahlen. Trotzdem hielt die Europäische Union am Einsatz des Herbizids fest. Ende 2017 wurde die Zulassung von Glyphosat um fünf Jahre verlängert. 18 Mitgliedsstaaten unterstützten damals den Vorschlag der EU-Kommission, darunter die Bundesrepublik.

Mittlerweile hat auch Deutschland ein Glyphosat-Verbot auf den Weg gebracht. Bis 2024 soll das Unkrautgift auf den Äckern verschwinden. Bereits in diesem Jahr wurde der Einsatz verringert. In Österreich könnte das Herbizid zwei Jahre früher aus der Landwirtschaft verschwinden. Denn zumindest innerhalb der Europäischen Union ist der Wirkstoff nur noch bis Ende 2022 zugelassen. Ob es noch früher klappen könnte, wird vom Runden Tisch auf Initiative der SPÖ abhängen.


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