James Castle (1899-1977) hat die Anerkennung seiner Zeichnungen und Collagen noch erlebt. Im Museum seiner Heimatstadt in Boise/Idaho wurden seine Arbeiten erstmals 1963 gezeigt. Sie wirken auch heute frisch; seine Darstellungen einfacher Ansichten des ländlichen Lebens zeichnet eine Intensität und Konzentration aus, die beeindruckt.
James Castle, der taub geboren wurde, nicht sprach und weder schrieb noch las, war ein geradezu manischer Zeichner, der einzelne Situationen mit breiten, im Ton modulierten Strichen immer und immer wieder festhielt, mit einfachsten Mitteln: Castle mischte seine grau-braunen Farben aus Ofenruß und Krepppapier mit Speichel an und trug sie mit Papp-Röllchen und Stöcken auf vorgefundene kleinformatige Papiere auf, deren Rückseiten er oft noch zusätzlich verwendete. Zu sehen sind Innenräume, die karg ausgestattet sind, und Hausfassaden, mitunter als Silhouetten aus der Ferne inmitten der Landschaft. Großartig ist, wie Castle Atmosphäre und perspektivischen Innenraum erzeugt und damit Intimität und persönliches Erleben zum Ausdruck bringt. Ganz selbstverständlich findet sich in seinen Bildern auch das, was zeitgleich die „arrivierte“ Kunst kennzeichnet, etwa eine schablonenhaft verkürzte Darstellung von Figur und die Metaphorik des einfachen Lebens, die Hinwendung zu fragilen Raumkonstruktionen und zur Textur von Holzbohlen. Aber James Castles Kunst entspringt ganz seiner Beobachtungsgabe in der angestammten Umgebung. Kaum zu glauben, dass er lange nur als Outsider-Künstler rezipiert wurde. Jetzt wird er erstmals hierzulande vorgestellt. Und im nächsten Jahr zeigt die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf sein Werk, in der Übernahme einer Ausstellung des Museum Reina Sofia in Madrid. Die Schau bei Karsten Greve ist weit mehr als ein Vorgeschmack.
James Castle, bis 25. Oktober in der Galerie Karsten Greve | Drususgasse 1-5 Köln | www.galerie-karsten-greve.com
Katalog zur Ausstellung mit Texten von Margit Rowell und John Yau | Köln 2011 | 234 S., 142 Abbildungen, 3 Fotografien | 45,-€
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