Köln hat in der Welt der Fotografie schon Geschichte geschrieben, bevor sich diese Kunst im Bewusstsein der meisten Menschen überhaupt erst zu etablieren begann. Seit 1950 organsierte L. Fritz Gruber die Photokina-Bilderschau, die zur Mutter aller Fotografie-Ausstellungen wurde. Mit ihr entwickelte sich eine Vorstellung davon, dass man eine Fotografie mit der gleichen Konzentration wie ein gemaltes Bild betrachtet. Jetzt schreiben andere Geschichte.
„Making History“ nennt Frankfurt am Main die zentrale Ausstellung seines diesjährigen fotografischen Groß-Event RAY 2012, der Fotografie-Projekte von April bis Oktober bietet. Offenbar verschieben sich die Gewichte, denn die Koelnmesse streicht mit der Visual Gallery den Nachfolger von L.Fritz Grubers Bilderschauen, die einer ihrer Publikumsmagneten war.
Man spart sich in Deutz den Aufwand für diese prachtvolle Foto-Schau, der an Aufwand und Namen wie Elliott Erwitt, Anton Corbijn oder Dennis Hopper nichts an die Seite zu stellen war, während zur gleichen Zeit in Frankfurt aufgesattelt wird. Dort legen die Börse, die Museen für Angewandte- und Moderne Kunst aber auch Stiftungen aus dem gesamten Rhein-Main Gebiet zusammen, um 200 Tage Fotografie zu präsentieren. Und das geschieht mit Niveau, denn Stars wie Thomas Demand, David LaChapelle oder Jeff Wall verleihen unweigerlich Attraktivität im Jahr der Documenta, wenn die ganze Kunstwelt nach Deutschland schaut.
Dass Markus Oster, der Geschäftsbereichsleiter Kommunikation und Medien der Koelnmesse, mit dem „Boulevard auf Competitions“ ein Trostpflaster anbietet, das keines ist, macht den Attraktivitätsverlust der Visual Gallery für Köln nur um so deutlicher. „Hochkarätige Bildinstallationen der führenden Profi-Fotowettbewerbe“ sollen auf dem Nordboulevard „ein perfektes Ambiente bieten“. Der Boulevard ist eine Verbindung für Messebesucher und nicht wie die Visual Gallery ein gesonderter Bereich, in den man kostenlos zum Betrachten der Bilder gelangen kann. Zumal in der Hektik der Messeatmosphäre kaum das Ambiente vorhanden sein wird, in dem in Muße ein Kunstwerk betrachten kann. Bestückt wird der Boulevard mit jener visuellen Akrobatik der Wettbewerbsbeiträge, deren Brillanz man im Vorbeigehen abnicken kann, der aber in den seltensten Fällen ein künstlerisches Format innewohnt. Engagierte Fotografie eines James Nachtwey oder Michael von Graffenried sieht anders aus. Hier hat man die Weichen für die Technik und gegen die Kunst gestellt.
Aber braucht die Fotoindustrie nicht gerade die Faszination des Bildes in einer Zeit, in der manche Handys mehr als eine Kleinbildkamera leisten? Zweifellos, Köln hat mit der Visual Gallery ein Kronjuwel im Reigen seines kulturellen Angebots verloren, die Photokina wird weiterhin eine große Messe bleiben, aber das ist die Anuga auch. Frankfurt legt sich mit dem RAY ein Kronjuwel zu, dort ziehen Wirtschaft und Museen an einem Strang. So macht man eine Region attraktiv für ein kulturinteressiertes Publikum, Streichung bedeutet dagegen ein Verlust an kultureller Identität.
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