„Es fließt Wasser auf dem Mars“, lautete eine Headline auf sueddeutsche.de im vergangenen September. Für Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, hieß es dort, war die Entdeckung eine Sensation. Eigentlich kann es auf dem Mars, wegen seiner dünnen Atmosphäre, kein flüssiges Wasser geben. Entweder ist es wie unter den Polkappen in Gletschern gefroren, oder es stellt einen klitzekleinen, gasförmigen Bestandteil der Atmosphäre, die hauptsächlich aus Kohlendioxid besteht. Doch Messdaten der Raumsonde „Mars Reconnaissance Orbiter“ wiesen Salze nach, wie Wissenschaftler der amerikanischen Raumfahrtagentur NASA verlauten ließen, die mit Wasser „in Kontakt“ standen. Verrückt, der indirekte Nachweis eines Tropfens flüssigen Wassers bringt Wissenschaftler aus dem Häuschen. Wo wir in unserem Alltag das Gesundheitsamt anrufen würden, gerät Mars-Experte Jaumann ins Schwärmen: „In der Salzlösung könnten Mikroben schwimmen.“
Wasser steht für Leben, oder wenigstens seiner Möglichkeit. Und die Mikrobe im Wasser ist der Ursprung irdischen Lebens. Nur hatte das Wasser im Äon vor 4,6 und 3,5 Milliarden Jahren mit dem Wasser in den heutigen Ozeanen nicht viel gemein. Sie waren vielmehr heiß und enthielten hohe Konzentrationen an Ionen von Übergangsmetallen wie Nickel oder Eisen. Der erste Stoffwechsel fand so gesehen unter eher lebenswidrigen Umständen auf Eisen-Schwefel-Oberflächen statt.
In der jüdisch-christlichen Schöpfungsgeschichte lässt sich lebenswidrig mit Chaos übersetzen, aus dem Gott („JHWH“) die Welt erschuf. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ Die Verse stammen aus der Schöpfungsgeschichte der Priesterschaft, die in Genesis 1 niedergeschrieben ist und deren Entstehung auf die Zeit nach dem Babylonischen Exil des Volkes Israel, zwischen 586 und 538 vor unserer Zeit, datiert wird. Interessanterweise machte sich zeitgleich ein gewisser Thales von Milet – ein paar hundert Kilometer weiter nördlich vom gelobten Land – ebenfalls Gedanken über die Kosmogonie. Dem großen Aristoteles zufolge wandte Thales sich vom Mythos ab und setzte mit dem Wasser ein Prinzip an den Anfang der Welt, das er aus Naturbetrachtungen folgerte. Das Nebenprodukt ist die Wissenschaft. In der Metaphysik schreibt Aristoteles: „Den Anlass zu dieser Ansicht bot ihm wohl die Beobachtung, dass die Nahrung aller Wesen feucht ist, dass die Wärme selber daraus entsteht und davon lebt; woraus aber jegliches wird, das ist der Ursprung von allem.“ Heute, rund 2500 Jahre später, müssen wir konstatieren, dass Thales einen Volltreffer landete: Von der Amöbe bis zum Quantenphysiker besteht alles Leben zu einem Großteil aus Wasser. Bei ihm war keine Rede mehr von Okeanos oder Tethys, den Göttern der Welterschaffung und der Frischwasserquellen. Dennoch spielt Wasser auch in Mythologien und Religionen eine zentrale Rolle: Von der rituellen Waschung vor dem Gebet im Islam, über das reinigende Bad im Ganges der Hindus und der Taufe im Christentum bis hin zur taoistischen Fünf-Elemente-Lehre. Ohne Wasser geht metaphysisch nichts.
Doch zurück zu Thales. Von ihm selbst sind keine schriftlichen Quellen überliefert. Doch einen wachen Geist wie ihn haben vielleicht noch andere Beobachtungen zu seinem Wasserprinzip geführt. Milets Heimat war eine ionische Hafenstadt am Mittelmeer und ein bedeutender Umschlagplatz für den Handel zwischen Ost und West. Öl, Wolle und Textilien, aber auch die Purpurfärberei brachten der Stadt unglaublichen Wohlstand. Wohlstand, der hier in Münzen geprägt wurde, die den Tauschhandel ersetzten. Thales wird nicht entgangen sein, dass das Leben in seiner Polis stark vom Verkehrsweg übers Wasser abhing.
Auch unser Wohlstand im Gefolge der industriellen Revolution, ist ohne Wasser nicht vorstellbar. Auch die Träger dieser Revolution, Kohle und Stahl, sind beide ohne Wasser nichts wert. Dampfmaschinen ohne Wasser sind so nützlich, wie ein Computer ohne Strom. Allerdings geht mit der Industrialisierung auch eine zuvor nicht gekannte Geringschätzung des Wassers einher. Abfallprodukte wurden schamlos über Flüsse entsorgt und im Meer verklappt. Und wir, wir spülen noch heute unsere Scheiße mit Litern von Trinkwasser weg – ein Prinzip übrigens, dass man schon im Badehaus von Ephesos vor 2500 Jahren kannte. Menschliche Entwicklung kann brutal auf der Stelle treten.
Zum Schluss noch das Naheliegende: Wasser löscht wunderbar den Durst, schmeckt aber leider fad. Gottseidank hat sich die Natur Kaffee und Tee ersonnen, die uns den Start in den Tag erleichtern. Gehopft und mit rund fünf Prozent Alkohol lässt es uns in Form von Kölsch beschwingt den Feierabend begehen. Man kann sagen was man will, aber Wasser ist ein echtes Teufelszeug.
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