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Ein Blockheizkraftwerk auf Holzgas-Basis versorgt den Hof von Alfons Kuhles… demnächst mit Biokohle
Foto: Tom Jost

Strom und Wärme – aus Resten gemacht

23. Dezember 2014

Ein Ratinger Landwirt hat die Bio-Kohle wiederentdeckt und erhält Unterstützung aus der Forschung – Innovation 01/15

Wir befinden uns im Jahre 2015 n. Chr.: Ganz Germania ist im Begriff, der Kohle als Quelle für Wärme und Strom abzuschwören. Selbst der Energie-Imperator Sigmar Gabriel in der fernen Kapitole Berlin biegt scheinbar auf den Pfad der CO2-Reduzierung durch Stilllegung von Kohlekraftwerken ein. Ganz Germania? Nein – ein pfiffiger Landwirt aus dem Rhein-Ruhrgebiet proklamiert den Einstieg in die Biokohle. Und steht damit noch nicht einmal allein auf weiter Flur.

Ganz ehrlich: Wer Alfons Kuhles auf seiner Erklär-Reise vom Reststoff bis zum schwarzen Energieträger folgen möchte, braucht keinen Doktorhut der Chemie. Aber ein paar Basics können nicht schaden. Beispielsweise, dass sich hinter der Summenformel C6 H12 O6 die Glucose, vulgo: Einfachzucker verbirgt. Dass man dieses Molekül unter Druck setzen kann und es sich letztlich in Kohlenstoff und Wasser aufspaltet. Dass bei diesem Prozess Energie freigesetzt wird. Dass die Energiemenge abhängig ist vom eingesetzten Ausgangsstoff. Und wenn man dann noch festhält, dass dieses Verfahren als „hydrothermale Carbonisierung“ (HTC) von der Natur seit Jahrmillionen angewendet, als „Nachbau“ übrigens 1932 mit dem Nobelpreis für Chemie geadelt wurde … hat man das Wesentliche schon begriffen.

Biogene Reststoffe werden in einem Klein-Reaktor zu umweltfreundlicher Biokohle umgewandelt, Foto: Tom Jost

Beschrieben wird nichts anderes als der Entstehungsprozess von Braun- und Steinkohle. Wofür sich die Natur allerdings ellenlang Zeit ließ, kann heute mit Druck und Hitze innerhalb eines halben Tages reproduziert werden. Der entsprechende Bio-Reaktor steht in Kalkar, als verwertbares Material ist eine breite Palette an Bio-Müll geeignet: „Grünschnitt und Papierschlämme, Speisereste und jene aus der Zuckerproduktion, Mist und Gülle“, zählt der Ratinger Retro-Pionier auf. „Es kommen ständig neue Kunden zu uns und bringen unterschiedlichstes Material. Das machen wir zu Kohle. Besonders interessant wird das jetzt im Bereich der Klärschlämme, weil seit dem Jahreswechsel das Ausbringen auf die Felder verboten ist.“ Nicht jeder Reststoff ist gleichermaßen ergiebig – und Klärschlämme enthalten beispielsweise reichlich Sand. Aber über die Verkohlung und den zeitversetzten Einsatz in Blockheizkraftwerken ergebe sich als „Gewinn“ schon eine Volumenreduzierung auf ein Tausendstel.

Alfons Kuhles, der sich spaßeshalber mitunter „Herr Kuhles“ nennt, hat sich mit seinem Kompagnon Lothar Hofer einer quasi herkulischen Aufgabe verschrieben, die den beiden HTC-Anwendern und ihrer Firma „Grenol“ nicht immer nur Freunde schafft. Auf größere Energieversorger ist der 52-jährige Landwirt nicht besonders gut zu sprechen – auf die Vertreter des deutschen Maschinenbaus auch nicht. Dabei sieht er für seinen aus Abfällen erzeugten Brennstoff nicht nur den Vorteil der deutlich besseren CO2-Bilanz. Man werde auch bei immer stärkerem Einsatz von erneuerbaren Energien beispielsweise die Abstimmung von Wind und Sonne „auch in hundert Jahren“ nicht vollständig hinkriegen. Biokohle dagegen sei gleichermaßen Grundlast- wie speicherungsfähig. Will heißen: „Wir können 365 Tage im Jahr produzieren und heben sie uns als Puffer und für den Winter auf.“ Auf dem eigenen Hof bereitet Kuhles gerade die Umrüstung vor: Sein 75-kW-Blockheizkraftwerk, in dem der 5-Liter-Deutz-Motor aktuell noch mit Holzgas befeuert wird, soll demnächst dito die Biokohle in Strom und nette Temperaturen umwandeln.

Bei der Ratinger Grenol GmbH ist die Fortentwicklung des HTC-Verfahrens bereits in den Bau mehrerer Kleinanlagen gemündet. Neben dem Vorzeigereaktor in Kalkar, der pro Tag durchaus zehn Tonnen Reststoffe verarbeiten könne, sind einzelne Exemplare auch an Forschungseinrichtungen geliefert worden – etwa die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Selbst eine Hühnerfarm in der Schweiz nutze den rheinischen „Reaktor“, um Hühnermist in Biokohle und Dünger umzuwandeln. Nachfrage im eigenen Land existiert derzeit praktisch nicht, deshalb orientiere man sich auch zum Ausland, etwa in Richtung Japan und Polen, Thailand und Rumänien. Aus dem Ausland stammte übrigens auch die bisher größte Anerkennung. Nicht der Nobelpreis – aber für den Anfang war der mit 50.000 Euro dotierte Kyocera-Umweltpreis ein durchaus attraktiver „Beifang“.

Unterstützung für die heimischen Tüftler könnte plötzlich wieder aus der Forschung kommen. Denn die hat das Verfahren ebenfalls neu entdeckt … und mit „Bio-Batterie“ ein gleichermaßen plausibles wie plakatives Label draufgepappt. Hier ist der HTC-Prozess in eine Kombination aus Überschuss-Strom, Biogas, Wärmespeicher und BHKW eingebettet. Prof. Andreas Hornung vom Fraunhofer-UMSICHT-Institut im oberpfälzischen Sulzbach rührte jüngst die Werbetrommel für dieses Maßnahmenbündel und seine „deutlich höhere Energieausbeute“. Nach Institutsangaben ist eine kommerzielle Ausgründung bereits erfolgt.

Eine solche Entwicklung würde Alfons Kuhles‘ Visionen einer energie-autarken Modellkommune gehörig beflügeln. Mit einem Mix aus Wind, Sonne, Landgas, Holz und Biokohle ist in seinen Augen eine hundertprozentige Versorgung ohne Probleme zu leisten. Auch wenn’s derzeit noch eine herkulische Herausforderung zu sein scheint …

TOM JOST

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