„Unser Kontingent für die Presse ist schon ausgeschöpft“, erfuhr der Rezensent zwei Wochen vor der Premiere des „Don Giovanni“ in Bergisch Gladbach. War das Budget so eng, dass man möglichst viele Karten verkaufen musste? Trotz des Grundsatzes „Keine Rezension ohne Pressekarte“ war das persönliche Interesse schon sehr groß, was da nach enthusiastischen Vorankündigungen zu erwarten war.
Der „Bergische Löwe“, ein Multifunktionsgebäude mit dem Charme eines Hallenbads, gebaut vom berühmte Kirchenarchitekten Gottfried Böhm, hat – im Gegensatz zum Kölner Provisorium Staatenhaus – einen richtigen Orchestergraben, ist aber als Opernhaus nie genutzt worden. Zumal die Stadt sich eines eigenen Orchesters rühmen kann; dieses dümpelte allerdings lange vor sich hin, bis dann wie Phönix aus der Asche ein neuer Dirigent auftauchte. Der von der Lokalpresse hochgelobte russische Pianist Roman Salyutov (34) entsann sich auch seiner Dirigierkünste und brachte das Orchester sehr achtbar auf Vordermann – die Stadt hatte auf einmal wieder ein lokales Musikleben. Aber leider keine Oper – trotz des Operngrabens. Aber der rührige Dirigent wollte auch hier für Abhilfe sorgen mit der berühmtesten aller Oper, mit Mozarts „Don Giovanni“. Ein kühnes Unterfangen für ein Laienorchester und die Chorstimmen vom Rheinischen Motettenchor und Heimatklänge Nussbaum. Auch die bei Mozart nicht vorgesehenen Tänzerinnen stammen aus Gladbacher Tanz- und Gymnastikschulen, ebenso ist die Regisseurin Tanja Heesen-Nauroth in Bergisch Gladbach zu Hause.
Aber da begann die lokale Verbundenheit des Dirigenten sich etwas zu rächen. Heesen-Nauroth ist studierte Kirchenmusikerin, arbeitet als Organistin und Chorleiterin, ist aber von der Qualifikation einer professionellen Opernregie deutlich entfernt. Sicher hat sich das ganze Team über zwei Jahre sehr viel Mühe gegeben, aber herausgekommen ist auf der Bühne leider allenfalls Mittelmaß. Die Protagonisten stehen eher unbeweglich auf den Brettern, mussten mangels Monitoren immer direkten Sichtkontakt zum Dirigenten haben, ebenso der Chor, der brav die Regieanweisungen befolgt und von rechts nach links geht. Eine engagierte Inszenierung sieht anders aus, spannender, spritziger und intensiver, ohne Leerlauf. Warum hat Salyutov für diesen entscheidenden Posten nicht auf einen studierten Regieassistenten aus der Nachbarstadt gesetzt? Da wäre sicher großes Interesse vorhanden gewesen. Zumal die Sängerinnen und Sänger ihrer Vita nach eine professionelle Ausbildung und Opernerfahrung haben, auch wenn der Giovanni für alle ein Rollendebüt war.
Er muss sich auch fragen lassen, warum es ausgerechnet diese so lange Oper sein muss, mit großen Anforderungen an Sänger und Orchester. Wobei Letzterem eine erstaunliche Qualifikation bescheinigen ist: Wenn auch der Mozart-Sound bisweilen etwas ruppig daherkam, so klang es aus dem Graben zunehmend runder und erfreulicher; auch die Bläser konnten gut mithalten. Unter den Sängern stachen insbesondere die verflossenen Damen des Giovanni hervor, ganz ausgezeichnet Isabelle Razwis als Anna und Marina Russmann als Elvira. Bei Zerlina von Maike Neunast war stimmlich noch Luft nach oben, die Regie hatte ihr leider ein tölpelhaftes Bauernmädchen verordnet. Andrejs als Titelheld machte stimmlich und szenisch eine sehr gute Figur, während Andreas Drescher als Leporello dagegen etwas abfiel: Im Gesang und Spiel nicht wirklich auf der Höhe schleppte er sich ein wenig über die Zeit. Deutlich besser gefiel Johann Penner als Ottavio, sein beweglicher, wohlklingender Tenor schaffte locker alle Hürden der Partie; ebenso der Bariton von Raphael Simon Blume als Bräutigam Masetto. Prima auch Ralf Riehel als Komtur mit schwarzem Bass.
Das Premierenpublikum jubelte lange und ausgiebig, wenn auch der Dirigent die Schlussszene der Oper geschnitten hatte: „Giovanni interruptus“ fällt tot vom Tisch, Schluss, Vorhang. Nichts mit dem berühmten Sextett und der Rückkehr ins normale Leben; dem Dirigenten gefiel es nach eigener Angabe besser so, obwohl es von Bedeutung ist für die Konzeption der Oper als „Dramma giocoso“, in der sich das Gute am Ende durchsetzt. Ob das vollmundige Versprechen, Bergisch Gladbach als Opernstadt durchsetzen, tatsächlich greift, wird sich ergeben. Und beim nächsten Mal dann bitte mit den angekündigten Übertiteln. Aber nett war es allemal.
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