Ohne ihn wäre das Bonner Opernpublikum um viele bemerkenswerte Abende ärmer geblieben. Ohne ihn wäre Clemens von Franckensteins „Li-Tai-Pe“ so schnell nicht wiederentdeckt worden. Und ohne ihn wäre die Aktualität von Rolf Liebermanns „Leonore 40/45“ verborgen geblieben. Am Karsamstag, 8. April ist der Bonner Operndirektor Andreas K. W. Meyer mit 64 Jahren infolge eines Herzversagens verstorben. Ein Schock für Angehörige, Freunde und die gesamte Opernlandschaft.
Andreas Meyer war ein leidenschaftlicher Entdecker. Er durchforstete die Geschichte der Oper nicht unter der fragwürdigen Annahme, in den gut 400 Jahren habe in einer quasi natürlichen Auslese das Beste überlebt und alles andere einen Platz im Archiv verdient. Er war sich der Bedingungen bewusst, unter denen gerade im ideologisch aufgeladenen 20. Jahrhundert Werke verbannt wurden, deren Aktualität sich heute überraschend offenbart. Meyer hat nicht einfach Raritäten ausgegraben, sondern neu Entdecktes stets in einem größeren gesellschaftlichen und philosophischen Kontext betrachtet.
Höhepunkt seiner Arbeit in Bonn ist das einzigartige Projekt „Fokus ´33“, eine „Forschungsreise zu den Ursachen von Verschwinden und Verbleiben“. In dieser beispielhaften Reihe erschienen Werke wie Giacomo Meyerbeers „Ein Feldlager in Schlesien“ oder „Asrael“ des jüdischen italienischen Komponisten Alberto Franchetti auf der Bühne. Meyers Programmhefte zu solchen Werken waren kenntnisreiche Kompendien. Zuletzt arbeitete er an der ersten ungestrichenen Wiederaufführung von Franz Schrekers „Der singende Teufel“.
Als Dramaturg prägte Meyer seit der Spielzeit 2013/14 das Gesicht des Bonner Opernhauses. Das Interesse des 1958 in Bielefeld geborenen Musikdramaturgen an vergessenen Schätzen setzte jedoch nicht erst in Bonn ein. Ab 1993 arbeitete er in Kiel. Der dortigen Oper verhalfen etwa der wiederentdeckte „Cyrano de Bergerac“ Franco Alfanos und ein Zyklus mit Werken Franz Schrekers zu überregionalem Interesse. Mit seiner Intendantin Kirsten Harms wechselte er 2004 als Chefdramaturg an die Deutsche Oper Berlin. Dort kamen etwa Franchettis „Germania“ und Zemlinskys „Der Traumgörge“ hinzu.
Andreas K. W. Meyer wird schmerzlich fehlen. Seine ruhige, beharrliche Ernsthaftigkeit und sein enormes Wissen sind nicht zu ersetzen. All jene, die ihn gekannt und gemocht haben, werden ihn als Freund oder Ratgeber vermissen. Was bleibt, ist Trauer, aber auch Dankbarkeit für ein großes Lebenswerk.
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