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Foto: Irma Flesch

Mit Flammenschwert und Lederball

28. Februar 2013

Anti-Kulturbewegungen während der Fussball-WM - Magenbitter 07/10

Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin,
bist so ruhig und ich fühle, dass ich ohne Ruhe bin. (trad.)


Eigentlich wollte ich die WM im Fernsehen sehen. Fußball hat es ja inzwischen zum weltweiten Völkerverständigungs-Kulturereignis geschafft. Aber eine halbe Stunde vor dem Anpfiff läuft nur das austauschbare Expertengeblähe im Studio. Es ist schon erstaunlich, wie viele Kasperle sich mit meinen TV-Gebühren einen netten Überseeaufenthalt ergaunern und sich dann noch darüber echauffieren, dass nur wenige Fans vor Ort ihre ehrlich erarbeiteten Euros investieren.

Während also gerade diverse deutsche Ex-Nationalspieler ihren Senf zu den bereits absolvierten Spielen abspritzen, werden die Geräusche bei mir auf dem Parkplatz ungemütlich. Ich schaue den Balkon hinunter. Ein paar Kinder haben kurz vor Spielbeginn noch die ebene Fläche zum Dribbeln mit einem Tennisball entdeckt. Dummerweise stehen dort auch die glänzenden Ergebnisse der ehemaligen Abwrackprämie. Und in deren Nähe haben Kinder natürlich nichts verloren. Natürlich nicht, und das macht ihnen der Besitzer des frisch polierten Mittelklasseblechwerks schnell laut und unmissverständlich klar. Doch einer der Burschen hat diese Fan-Tröte aus Südafrika dabei. In den Farben grün-weiß-rot. Er bläht die Lungen also wohl für Mexiko oder NRW, und das tut er natürlich nun mit Genuss aus sicherer Entfernung. Kaum zu glauben, welche Phonzahlen der Knirps seiner Vuvuzela entlockt und damit sein Gegenüber quält und gleichzeitig die Balkone der Umgebung füllt. Nicht genug, dass Hans Mustermann sich schon vor dem Fernseher köstlich erregen muss, jetzt tönt südafrikanisches Kulturgut direkt vor der Haustür. Macht die Trompete des Grauens eine Völkerverständigung schwierig, sollten am Kap alle Bläser in ihre Townships gejagt werden? Könnte die afrikanische Soundkulisse neokoloniale Stimmungen erzeugen?

Ohrenbetäubendes Summen dringt bereits aus dem Fernseher. Freundliche Menschen grinsen in die Kamera, ihre Vuvuzelas sind zum polarisierten Ereignis geworden. Ja, wenn wir in Old Europe könnten, wie wir wollten, dann ... Aber wir dürfen ja nicht. Nicht mal ein Bürgerbegehren haben wir gegen die Plastiktüten zustande gebracht, genauso wenig wie die Kunstbanausen in Herford, die sich vehement gegen die Plastiktüten eines Herrn Oppenheim aus den Vereinigten Staaten von Amerika wehrten. Dessen riesigen „Safety Cones“ machen zwar keinen Lärm, aber sie sollen einen „eklatanten Eingriff in das Stadtbild“ darstellen. Und da kennen die spießradikalen „Bürger für Herford“ keine Verwandten mehr, immerhin getreu dem Stadt-Motto „Mittelalter trifft Moderne“. Paradoxerweise orientieren sie sich lieber am sogenannten „Volksempfinden“. Eine Haltung, die auch in der Kulturhauptstadtbewegung hochgehalten wird. Mir doch egal. Ich schau jetzt lieber Fußball, von fern trötet es draußen noch leise.

Peter Ortmann

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