Muss Integrationspolitik noch sein? Natürlich gibt es Minderheiten in unserer Mehrheitsgesellschaft. Kann etwa die Minderheit der Investmentbanker, die eine kleine, reiche Minderheit auf Kosten der Allgemeinheit noch reicher macht, in die Mehrheitsgesellschaft reintegriert werden, wenn sie von ihrem Tun ablässt? Die Frage ist nicht so weit hergeholt, wie es scheint. Nach einschlägigen Studien agieren die berufsmäßigen Spekulanten rücksichtslos, egoistisch und asozial. Sie gelten den Forschern als verhaltensgestört. Da tut Hilfe not, etwa durch die Gründung eines „Sozialwerks zur Wiedereingliederung ausgestiegener Banker“ als Teil einer integrativen Sozialpolitik, Umschulung inbegriffen. Zahlenmäßig gibt es schließlich mehr Banker als Salafisten in Deutschland. In der Regel sind Letztere allerdings durch Outfit, Frisur und Bart und ihr rüdes Auftreten in der Öffentlichkeit besser auszumachen. Der Dresscode der Banker ist dagegen dezent. Sie machen auch nicht auf der Straße Krawall, sondern verrichten ihr Werk in der anonymen Welt der digitalen Datenströme.
Vielfalt als Chance
In Städten wie Köln stellen die „Menschen mit Migrationshintergrund“ mittlerweile rund ein Drittel der Stadtbevölkerung. Sie wohnen nicht nur in Mülheim, Kalk oder Chorweiler, sondern auch in Lindenthal und Rodenkirchen – sogar an der Côte de Sürth sind sie gesichtet worden. Es gibt unter ihnen Arbeitslose und Ungelernte ebenso wie Ärzte, Ingenieure oder Makler, Einzelhändler, Handwerker oder Journalisten (und natürlich auch Banker).
Die Mehrheit der Muslime ist ebenso säkular eingestellt wie die Mehrheit der Christenmenschen. Das religiöse Milieu unter den Zugewanderten liegt anteilsmäßig unter zehn Prozent. Fast doppelt so groß ist der Anteil der Leute, die sich dem traditionellen Arbeitermilieu zuordnen. Sie wollen sich und ihren Familien vor allem einen befriedigenden Lebensstandard sichern und sind im Schnitt so alt wie der durchschnittliche Kölner, aber noch zum großen Teil im Ausland – der Türkei oder der UDSSR – zur Schule gegangen. Überhaupt ist die Nähe zu Deutschen in ähnlichen sozialen Zusammenhängen nicht zu übersehen. Kurz, bei „den“ Migranten handelt es sich wie bei den Deutschen um eine facettenreiche Gruppe, die keineswegs über einen Kamm geschert werden kann. Einen feinen Unterschied gibt es allerdings. „MigranTinnen“ sind jünger, ihr Anteil wird in der Zukunft noch wachsen. „Bei den unter fünfjährigen Kindern in Nordrhein-Westfalen haben schon heute 42% einen Migrationshintergrund“, so der Kölner Integrationsrat. „In Köln liegt der Anteil der Migrantinnen und Migranten bei den Kindern unter 6 Jahren bei ca. 52%.“ Deshalb ist Spracherziehung und die Sprachkompetenz der ErzieherInnen wichtig, um die „natürliche Mehrsprachigkeit“ zu fördern. Eine auch aus der Sicht von Wissenschaftlern sinnvolle Förderung mit überschaubaren Kosten. Kinder werden damit auch „klüger“ – sie können z. B. leichter und besser weitere Sprachen lernen. Doch bei diesem Kita-Programm hakt es in Köln, sehr zum Verdruss des Integrationsrates.
Eine gewisse Gelassenheit
Dabei gilt Integrationspolitik als wichtige „Querschnittsaufgabe“, die nahezu alle Verwaltungsbereiche betrifft: Schule und Bildung ebenso wie Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik, Wohnen und Stadtentwicklung oder Kultur und Flüchtlingsfragen. Auf dem Papier steht die fachübergreifende Kooperation schon lange. Jetzt will das Land NRW die „Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien“ zu richtigen „Integrationszentren“ ausbauen. Das Ziel: die Bildungs- und Integrationsarbeit der Kommunen „noch besser“ zu verzahnen. Praktiker vor Ort sehen das eher skeptisch. Dass es nicht nur gelegentlich in den Behörden knirscht, hat auch mit dem Verhalten der Politischen Klasse zu tun. Sie neigt zu aufgeregten bis hysterischen Debatten und entwirft gerne medienwirksame Feindbilder, wenn es um die Zugewanderten geht. Das miserable und vorurteilsorientierte Zusammenspiel von Politik und Sicherheitsbehörden rund um die sogenannten Döner-Morde und eine angebliche „Türken-Mafia“ ist nur ein herausragendes Beispiel.
Dabei geht die Bevölkerung, aufs Ganze gesehen, ziemlich gelassen mit der neuen Vielfalt in der Nachbarschaft um. Das eben veröffentlichte und bundesweit erhobene „Integrationsbarometer“ bestätigt der deutschen Einwanderungsgesellschaft insgesamt einen „kritischen Integrationspragmatismus und verhaltenen Integrationsoptimismus“. Mehr als die Hälfte der Befragten bedauert dabei, dass die Diskussionen rund um das Thema Integration „eher oder viel zu negativ geführt“ werden. Natürlich gibt es auch hier Minderheiten. Die Neonazis von Pro Köln/NRW etwa, die ihren Krampf über andere Minderheiten verbreiten. Natürlich werden sie auch von der Angst vor ihrer Deklassierung getrieben. Denn „bei den Migrantinnen und Migranten ist die Bereitschaft zu Leistung und der Wille zum gesellschaftlichen Aufstieg deutlich ausgeprägter als in der deutschen Gesamtbevölkerung“, so die Integrationsstudie. Wer beflügelt denn nun diese sogenannten typisch deutschen Tugenden?
Der Integrationsrat der Stadt Köln hat eine informative Broschüre „Köln. 100 %“ herausgegeben. Bezug über integrationsrat@stadt-koeln.de.
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