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Eine globale Marke: Die „Kritik der politischen Ökonomie“
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Marx’ schärfstes Schwert

26. April 2018

Klassenkampf als bestes Mittel gegen deprimierende Verhältnisse

Es ist eines der wirkmächtigsten Bücher der Weltgeschichte. Es gab den Elenden Hoffnung, stachelte zu Revolution und Umsturz an, war Ausrede und Entschuldigung für Jahrhundertverbrechen. Die Rede ist von Karl Marx’ bahnbrechender Kapitalismusanalyse „Das Kapital“, das 150 Jahre nach seinem Erscheinen mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Und das, obwohl die Wege, die Leninisten, Stalinisten, Maoisten u.v.m. beschritten, um Marx’ Theorie Praxis werden zu lassen, allesamt in eine Sackgasse führten, in deren Wendehammer sich bis heute die Leichen stapeln.

Doch die bourgeoise Kritik, Marx sei für die Verbrechen des Kommunismus verantwortlich, ist so absurd, als machte man Porsche/BMW/Audi verantwortlich, wenn Herr Hinz Frau Kunz mit seinem Cayenne/i3/R8 tödlich über den Haufen gefahren hat. Trotz der über Generationen eingeübten Beißreflexe Richtung Marx, gibt sich seit der letzten großen Kapitalismus-/Finanzkrise bisweilen auch das bürgerliche Feuilleton von Zeit bis FAZ klassenkämpferisch.

Neulich schrieb beispielsweise FAZ-Herausgeber und -Feuilletonchef Jürgen Kaube, als im Zuge des Skandals um die Essener Tafeln eine neuerliche Hartz IV- und Armutsdebatte aufflammte, eine Verteidigung für deren Leiter Jörg Sator: „Nicht Jörg Sator hat den Konflikt in die Gruppe der Hilfesuchenden hineingetragen, nicht Jörg Sator hat sich Hartz IV ausgedacht und auf Parteitagen den Kanzler bejubelt, der es sich mitausgedacht hat, nicht Jörg Sator hat es versäumt, etwas gegen Wohnungsknappheit und hohe großstädtische Mieten und zu geringe Bedarfssätze zu tun.“ Gut gebrüllt, Löwe! Vor allem, wenn gleichzeitig im Politik- und Wirtschaftsteil gnadenlos alles niedergemacht wird, was nach gewerkschaftlichen Forderungen riecht oder an der Agenda 2010 zweifelt. Das ist lupenreine Ideologie. Oder haben Jürgen Kaube und die Seinen in den vergangenen Jahren Bodenspekulation verdammt, kommunalen oder genossenschaftlichen Wohnungsbau gefordert oder über die Schließung des Billiglohn- und Aufstocker-Sektors nachgedacht? Haben sie nicht. Und das überrascht auch nicht.

Überraschend ist vielmehr, dass Leute wie Spiegel-Online-Kolumnist und Freitag-Herausgeber Jakob Augstein tatsächlich glauben, Populismus von links sei das adäquate Gegengift. Nun ist Populismus, egal von wo, egal von wem, letztlich immer die Affirmation autoritär-nationalistischer Positionen – Sahra Wagenknechts (Die Linke) Positionierung und Anbiederung an den rechten Mainstream in der Flüchtlingsfrage lässt grüßen.

Und der linke Nachwuchs? Der sucht in (Hochschul-)Gruppen und Netzwerken zu oft Antworten auf Fragen, die sich den Abgehängten, Flüchtenden und Prekarisierten nicht stellen. Bereits in der choices-Ausgabe vom August 2016 konstatierte der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel, dass die „jungen politisch Aktiven mit fast ausschließlich hohen Bildungsabschlüssen“ keinen „organisatorischen Link“ mehr zu den „Abgehängten“ haben: „Wenn sie bei Attac, Human Rights Watch, Amnesty International oder in Umweltverbänden sind, dann geht es um Themen, die das untere Drittel relativ wenig interessiert.“ Stattdessen bestimmen Debatten über ‚richtiges‘ Essverhalten, immer ausdifferenzierteres Gendern und bizarre Akronyme für sexuelle Präferenzen den Diskurs.

Und Karl Marx? Der verschreibt seit 150 Jahren das gleiche Mittelchen gegen deprimierende Verhältnisse: Klassenkampf. Und ein besseres ist bis heute auch nirgends im Angebot. Der Kampf um die kollektive Wiederaneignung unserer Existenzbedingungen, kann so falsch nicht sein. Marx rät, die Eigentumsfrage zu stellen. Am besten von der lokalen bis zur globalen Ebene – ja, träumen ist im Klassenkampf ausdrücklich erlaubt. Anders wird dem neoliberalen Konsens, dem Standortnationalismus und dem leeren Leistungsgerechtigkeitsgelaber des Hier und Heute nicht beizukommen sein. Prekarisierung, Wohnungsnot und Immobilienspekulation, die Menschenselektion an den Schulen und Unis, die Spaltung der Arbeiter in Stammpersonal und Leiharbeiter, befristet Angestellte und 450-Euro-Jobber: Das alles gehört unentwegt sozialistisch skandalisiert. Klassenkampf ist nicht antiquiert. Er ist das schärfste Schwert, das Marx uns handreicht.


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Bernhard Krebs

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