Früher war alles einfach. Mädchen waren doof, weil sie keinen Fußball spielten. Wenn heute ein Junge in der Schule so etwas von sich gibt, riskiert er den Gang zum Schulpsychologen – wegen Verdachts auf Realitätsverlust. Mädchen spielen längst Fußball, spätestens mit dem international erfolgreichen Film „Kick it like Beckham“ (2002) wurde der Tritt gegen das Leder auch im Kontext von weiblicher Selbstbestimmung und Emanzipation interessant. Frauenfußball hat im Laufe der Zeit zunehmend Fans unter beiden Geschlechtern gefunden, und sein alle vier Jahre stattfindender Branchengipfel ist als „Event“ und Imagefaktor sogar für den strukturkonservativen Deutschen Fußball-Bund so interessant geworden, dass er ihn in diesem Jahr erstmals ausrichtet.
Gleichwohl ist und bleibt es ein eigener Sport; Vergleiche mit dem Männerfußball helfen nicht weiter. Dass aufgrund der Unterschiede in der Physis Männer athletischer, schneller, und dynamischer spielen, wird wohl so bleiben. Oder möchte jemand lieber hochgezüchtete weibliche Renn- und Kampfmaschinen auf’m Platz sehen? Und es dürfte sich auch nichts daran ändern, dass beim Frauenfußball gelegentlich Tore fallen, die bei den Herren so nicht passieren würden – es sei denn, englische Nationaltorhüter haben ihre Hände im Spiel.
Nichtsdestotrotz wird niemand einer Birgit Prinz den professionellen Killerinstinkt absprechen, wenn sie ihrer Arbeit als Torjägerin nachgeht. Ebenso wenig wird irgendjemand bezweifeln wollen, dass Marta Vieira da Silva, genannt Marta, eine brillante Technikerin mit exzellentem Ballgefühl ist. Und auch wer ausschließlich mit Männerfußball sozialisiert wurde und legendäre Tore von Müller, Fischer, Völler, Klinsmann & Co. im Kopfkino parat hat, wird sich zumindest an Nia Künzers Kopfballtreffer zum 2:1-Sieg gegen Schweden in der Verlängerung des WM-Endspiels 2003 erinnern, der den ersten Weltmeistertitel für die deutsche Frauenfußballnationalelf bedeutete.
Für den Erinnerungswert ist sicher nicht von Nachteil, dass es sich bei Nia Künzer um eine gut aussehende Sportlerin handelt. Je attraktiver die Spielerinnen, desto geneigter der Blick der männlichen Fußballfans auf das Spielfeld. Wer jetzt reflexartig den Sexismus-Zeigefinger erhebt, kann ihn gleich wieder runter nehmen. Dieser Vorwurf läuft ins Leere. Immerhin sind die Fußballerinnen auf dem Feld angezogen, im Gegensatz zu jenen Juniorinnen-Nationalspielerinnen, die kürzlich WM-werbewirksam für den „Playboy“ posierten. Ganz abgesehen davon, dass weibliche Fußballfans männliche Spieler ebenfalls nicht ausschließlich nach fußballerischen Kriterien beurteilen. Und wer einmal das Vergnügen hatte, im Stadion in der Nähe eines Trupps gut gelaunter Schlachtenbummlerinnen zu stehen, der weiß, dass auch Frauen beim Fußball gelegentlich eine klare Sprache an den Tag legen und ihnen kräftige Schmähungen gegnerischer Mannschaften nicht fremd sind. Die Bezeichnung „Schlappschwänze“ zählt da eher noch zu den harmloseren Invektiven.
Wie auch immer: Ab Sonntag 26. Juni werden Männlein und Weiblein einträchtig ihre jeweiligen Teams (hätte beinahe „Mannschaften“ geschrieben) anfeuern. Rund 80 Prozent der Tickets sind verkauft, da sollte in Sachen Stimmung nichts schiefgehen. Restkarten für die in Bochum und Leverkusen angesetzten Vorrundenspiele sind übrigens noch zu haben. Die Erwartungshaltung an die Gastgeberinnen ist im eigenen Land hoch, weniger als der dritte WM-Titel in Folge würde Enttäuschung hervorrufen. Den DFB-Frauen ist zuzutrauen, dass sie diesem Druck standhalten können – auch ohne psychologische Unterstützung durch den Fußballdruckexperten par excellence: Oliver Kahn.
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