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Diktieren Hausse und Baisse das Schicksal der Menschen?
Foto: Irma Flesch

Geld darf alles!

24. Februar 2011

Aufstieg und Fall der Stadt Mahagony - Opernzeit 03/11

Was passiert mit einer Gesellschaft, die alles erlaubt, nur eines nicht: Kein Geld zu haben? Diese provozierende Frage stellen Brecht und Weill in ihrer Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ und lösten damit bei der Uraufführung 1930 in Leipzig einen der größten Theaterskandale des 20. Jahrhunderts aus. Das konservative Premierenpublikum stürmte die Bühne, vor dem Theater randalierten die Nationalsozialisten, so dass die Folgeaufführungen unter Polizeischutz stattfinden mussten. Geplante Aufführungen in anderen Städten wurden abgesetzt.

Das Stück traf den Nerv der Zeit. Es verarbeitet die Erfahrungen des entfesselten Kapitalismus der goldenen 20er, der zur Weltwirtschaftskrise 1929 führte und in der Folge zur Auflösung der demokratischen Grundordnung in Deutschland. Heute ist die Thematik aktueller denn je, da aus der Krise 2008 nach dem Zusammenbruch von Lehmann-Brothers keine grundsätzlichen Konsequenzen gezogen wurden. Spitzenmanager freuen sich weiterhin über saftige Boni, während sich Regierung und Oppostion über eine Erhöhung des Hartz IV Regelsatzes um fünf Euro streiten.

"Brecht und Weill hauen dem Publikum die bürgerliche Kunstform der Oper regelrecht um die Ohren."

„Die Hauptfigur des Stückes ist die Stadt, die aus den Bedürfnissen des Menschen entsteht und durch die Bedürfnisse des Menschen zugrunde geht“, schreibt Kurt Weill über Mahagonny. Mitten in der Wüste - wer denkt hier nicht an Las Vegas - gründen drei Verbrecher auf der Flucht diese Stadt. Sie erlebt einen rasanten Aufstieg, es herrscht Goldgräberstimmung, doch bald greift Langeweile um sich. Die Preise fallen angesichts des Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage, die erste Krise kündigt sich an. Ausgerechnet ein Hurrikan bringt die entscheidende Wende zum vermeintlich Besseren: Angesichts des drohenden Untergangs wird das Gesetz der menschlichen Glückseligkeit erlassen: Jeder darf tun, was ihm gefällt, alles ist erlaubt, es gibt keine Tabus mehr. Wie durch ein Wunder zieht das Unwetter vorbei und es herrscht Hochbetrieb wie nie zuvor in der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten: Fressen und Saufen bis zum Exitus, Prostitution, Gewaltexzesse. Es gibt erste Tote. Alles ist erlaubt, nur eines nicht: Kein Geld zu haben ist das größte Verbrechen. Wer nicht zahlen kann, wird mit dem Tode bestraft, wohingegen Mord nicht geahndet wird.

Brecht und Weill hauen dem Publikum die bürgerliche Kunstform der Oper regelrecht um die Ohren. Die musikalischen Mittel und die inhaltliche Aggressivität gehen weit über die Dreigroschenoper von 1928 hinaus. Die groteske Überzeichnung der herkömmlichen Nummernoper und ihrer Dramaturgie entlarvt die Verlogenheit einer in sich maroden Gesellschaft. Weill karikiert in seinen verzerrten Stilkopien Bach und Händel ebenso wie Verdi und Weber und montiert vulgäre Schlager, wie den legendären Alabama-Song neben Lyrisch- Empfindsames. Dialoge werden ersetzt durch Texte, die zwischen den Musiknummern eingeblendet werden.

Die grelle Collage erlaubt dem Zuschauer keine Identifikation mit den Bühnengeschehen mehr, sondern fordert ihn auf, sich mit diesem auseinanderzusetzen. Mahagonny sei ein Erlebnis, schreibt Brecht nicht unbescheiden, ein Spaß und deshalb werde die Oper Mahagonny dem Unvernünftigen der Kunstgattung Oper bewusst gerecht. Am Ende geht das goldene Zeitalter der Stadt Mahagonny in Chaos und Anarchie unter – ein unendlicher Spaß, ein Vergnügen, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt.

Premiere am 23.3. im Kölner Opernhaus.

Kerstin Maria Pöhler

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