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Geschichten aus dem Wiener Wald
Thilo Beu

Geborgte Sätze

29. April 2011

Das Theater Bonn spielt Horváth - Theater am Rhein 05/11

Die Deko sorgt für ein Dejavu. Der zweistöckige Glas-Stahl-Bau in der Halle Beuel kam bereits in Klaus Weises Inszenierung von „Das Ende des Regens“ vor und sieht ein bisschen nach Sechziger Jahre aus. Aller Eleganz zum Trotz hausen hier die Wiener Kleinbürger mit ihren handgroßen Läden: Ein Fleischer, ein Kiosk, ein Geschäft für Zauberartikel, oben eine Billardhalle und ein Erotik-Kino. Schäbige Großstadtperipherie, in der die junge Marianne (Anastasia Gubareva) ihren mädchenhaften Charme und ihre elan vital versprüht.

Ödon von Horváths 1931 entstandene „Geschichten aus dem Wiener Wald“ ist ein Stück zwischen zwei Sätzen. Zu Beginn sagt Marianne zu dem geliebten Alfred „Laß mich aus dir einen Menschen machen“; am Ende stöhnt sie nur noch „Jetzt kann ich nicht mehr­­­ -“. Dazwischen liegt die bitterböse Zurichtung einer Frau, die an die Liebe glaubt und ihr eigenes Leben leben will. Zugerichtet von Horváths verlorenen Prekariatsseelen, die so erbärmlich wie herzlos sind, die mit ihren geborgt-verhunzten Sätzen fast surreal daherreden, die sich in der Gegenwart verpanzert haben – und doch eigentlich nur zu überleben versuchen. Regisseur Klaus Weise holt das Stück in die Gegenwart. Da hockt man auf billigen Gartenstühlen vor den Läden und zerreißt sich mit sedierter Nonchalance das Maul übereinander. Die Hölle, das ist die Nachbarschaft. Der Oskar des Arne Lenk ist ein scheinsensibler Brutalo mit Lederhütchen, der dem kalt-schlurigen Alfred des Nico Link für Ausspannen der Freundin nicht mal böse ist. Die Schraubendrehungen in die Verzweiflung werden von Weise allerdings regelrecht stillgestellt. Dass Marianne ihre Verlobung mit dem Metzger Oskar löst, sich in Alfred verliebt, von ihm ein Kind bekommt, sitzen gelassen wird und ins Gefängnis kommt und später ihr Kind verliert – das zerfällt hier rhythmisch in szenische Kleinstminiaturen und lässt die Dramaturgie des Stücks zerbröckeln. Die Figuren kreisen wie einsame Trabanten umeinander, auch weil jeder Dialogsatz auf der Wäscheleine der Bedeutung aufgehängt wird. Der Zerfall der sozialen Beziehungen über den Zerfall der Sprache wird so weit getrieben, dass er letztlich die Inszenierung selbst angreift.

„Geschichten aus dem Wiener Wald“ von Ödön von Horváth | R: Klaus Weise | Theater Bonn | 5., 13., 15., 18.5., 19.30 Uhr | www.theater-bonn.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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