White Angel – Das Ende von Marinka
Deutschland 2023, Laufzeit: 90 Min., FSK 16
Regie: Arndt Ginzel
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Wertvolles Dokument über zerstörte Existenzen in Marinka
Jemand da?
„White Angel – Das Ende von Marinka“ von Arndt Ginzel
Die ukrainische Kleinstadt Marinka im Verwaltungsbezirk Donezk. Schon 2014 im Russisch-Ukrainischen Krieg umkämpft, befindet sich die Gemeinde 2022 im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erneut unter Beschuss. Am Ende des Jahres liegt Marinka in Schutt und Asche, fast alle Bewohner haben die Stadt verlassen. Marinka existiert nicht mehr.
In den letzten Monaten der Zerstörung fährt der ehemalige Kriminalbeamte Vasyl gemeinsam mit seinem Kollegen Rustam im weißen Transporter durch die Straßen der Stadt und ihrer Vororte, um die Menschen zu evakuieren. Schon bald nennt man das Team „Weißer Engel“. Die Aufnahmen von Vasyls Helmkamera bilden das Fundament dieses Dokumentarfilms. Der Regisseur und Investigativjournalist Arndt Ginzel, der schon seit 2015 für das Fernsehen aus der Ukraine berichtet, spricht darüber hinaus mit Rettern und Überlebenden.
Gleich zu Beginn warnt eine Texttafel, dass das Gezeigte verstören und retraumatisieren könnte. Die Bilder zeigen Blut, Wunde und Leichensack, vor allem aber spiegeln sie die Seelenqual der zivilen Opfer dieses Krieges. Ruhelos im Einsatz, fahren Vasyl und Rustam die Häuser ab und stoßen auf Menschen, die nicht mehr Herr ihrer Sinne sind. Die ihr Zuhause nicht verlassen wollen. Aus purem Gottvertrauen. Weil ihr Haus ihr Leben ist. Weil sie Menschen nicht zurücklassen wollen, ihre Tiere. Weil sie Angst davor haben, ausgeraubt zu werden. Trauma. Schock. Tunnelblick. Vasyl ist hin und her gerissen zwischen Mitleid und Unverständnis. Manche Opfer tröstet er, indem er ein Lied aus der Heimat anstimmt. Die Filmmusik untermalt das Geschehen dezent, hin und wieder kommentiert Vasyl sein Erleben. Wenn alles Lebendige, wenn Geschichte und Erinnerung in den Trümmern verschwindet. Wenn er den Schmerz der Gegend spürt: „Die Häuser weinen, vergießen Tränen, menschengleich.“
Vasyl versteht sich nicht bloß als Retter, sondern auch als Zeuge. Der Film legt Zeugnis ab. Er wird zum Dokument von Kriegsverbrechen und vom Leid der Menschen, die alles verlieren. Ein Zeugnis, das allen als Empfehlung nahegelegt sei, die den Krieg nur aus den Nachrichten kennen. Ein Pflichtfilm für die Politik. Natürlich ist dieser Dokumentarfilm nicht der erste seiner Art, doch die Welt bräuchte noch mehr solcher Dokumente, die aktuell vom Ort des Geschehens, des Kriegs, des Elends erzählen. Von den Opfern und davon, wie schwer sich Menschen mit der Flucht tun. Davon, dass Flucht eine dramatische Überwindung ist, keine leichtfertige Entscheidung. Menschen geben ihr Zuhause auf, kappen Heimat, Familie, Wurzeln. Wegen eines Krieges, wegen politischer Verfolgung. Aber auch aufgrund von Armut und den Folgen des Klimawandels, verantwortet durch Wohlstandsländer, die ihre Mauern immer höher ziehen. Umso relevanter sind Filme wie dieser als Zeugnis von Verlust und existenzieller Not. Und als Ode an jene, die selbstlos helfen.
(Hartmut Ernst)
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