Undine
Deutschland, Frankreich 2019, Laufzeit: 90 Min., FSK 12
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Paula Beer, Franz Rogowski, Maryam Zaree
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Ein modernes Liebesmärchen
Märchenhaftes Gewandt
„Undine“ von Christian Petzold
Nach Christian Petzolds großem Erfolg mit seinem letzten Film „Transit“ waren im Februar bei den 70. Berliner Filmfestspielen alle gespannt auf sein neues Werk. „Undine“ heißt der neue Film von Christian Petzold und war der einzige deutsche Wettbewerbsbeitrag und, neben dem Schweizer Drama „Schwesterlein“ mit Lars Eidinger und Petzolds langjähriger Hauptdarstellerin Nina Hoss, der einzige deutschsprachige Film im Wettbewerb:
Die sympathische Undine betreut als freie Mitarbeiterin Führungen durch die Ausstellung „Berliner Stadtmodelle“. In ihrer kurzen Mittagspause trifft sie sich mit ihrem Freund Johannes, der zu ihrer Überraschung und Bestürzung nicht nur einen Kaffee mit ihr trinken will, sondern die Beziehung beendet. Undine fällt aus allen Wolken und findet, dass das gar nicht möglich sei, weil Johannes ihr die ewige Liebe geschworen hatte.
Und tatsächlich: Da Undine ein durch die Liebe erlöster Wassergeist ist, muss sie nun nach dem Bruch des Liebesschwurs Johannes töten und selber wieder ins Wasser zurückkehren. Beides tut sie nicht, denn noch am selben Tag lernt Undine Christoph kennen. In dem Café, in dem sie eben noch verlassen wurde, trifft sie den jungen Mann, mit dem sich durch ein Malheur ihr Schicksal verbindet. Christoph ist Industrietaucher und ihr im Gegensatz zu dem eher selbstsüchtigen Johannes sehr zugewandt. Er interessiert sich für Undine und ihre Arbeit, ist empathisch, hat Humor und tolle Einfälle. Undine und Christoph verleben eine schöne Zeit, doch Undines Widerstand gegen ihr Schicksal, ihr Kampf für ihre Liebe fordert seinen Tribut. Es geschieht ein Unglück.
„Undine“ ist Christian Petzolds erster Teil einer geplanten Trilogie über die Elementargeister im Wasser, der Luft und der Erde. „Undine“ ist zum einen ein Märchen und zugleich im alltäglichen Hier und Jetzt verortet. Der Film ist sogar ausgesprochen luftig und leicht inszeniert, wie man es von einem neuen Film des Aushängeschildes der sogenannten Berliner Schule nicht unbedingt erwartet hätte. Die Liebe und die Liebenden – leidenschaftlich gespielt von Franz Rogowski und Paula Beer, welche dafür auf der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde – strahlen. Zwischen ihnen ist etwas entstanden, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Petzolds neuer Film transportiert diese Lebendigkeit mit Hilfe seiner Hauptdarsteller in vielen kleinen Details, die den Zuschauer hineinziehen in dieses Gefühl der großen Liebe. Das ist neu, denn in den meisten seiner bisherigen Filme sind die Figuren eher kühl angelegt, sind enttäuscht oder fürchten enttäuscht zu werden. Auch Undine wurde enttäuscht, doch sie ist bereit für eine neue, noch innigere Liebe. Wo Beziehungen und Liebe von den Figuren in Petzolds Filmen eigentlich immer an einem Wert gemessen wurden – ein ökonomischer Wert oder ein anderer Nutzen – scheint in „Undine“ die Liebe bedingungslos zu sein. Diese aufrichtige Bedingungslosigkeit prägt den Tonfall des gesamten Films.
Während „Transit“ auf einer Buchvorlage und dessen historischen Hintergrund beruhte, ist „Undine“ an einen Mythos angelehnt. Beiden Filmen ist gemein, dass sie ihr historisches beziehungsweise mythologisches Thema mit dem Alltag unserer Gegenwart verknüpfen. Für „Transit“ wählte Petzold einen faszinierenden Kunstgriff, der Publikum wie Kritik begeisterte. Zwei scheinbar unvereinbare Ebenen hat Christian Petzold auch schon in „Yella“ miteinander kombiniert. Dort war es das Thema des 60er-Jahre-Horrorfilms „Carnival of Souls“ von Herk Harvey und der Dokumentation „Nicht ohne Risiko“ von Harun Farocki über Risikokapitalanlagen. Ähnlich ungewöhnlich erscheint in „Udine“ die Verbindung des Wassergeist-Mythos mit der modernen Stadtplanung von Berlin. Hier prallen gegensätzliche Welten aufeinander. In „Udine“ lässt Christian Petzold die Gegenwart und den Alltag jedoch meist relativ frei von der märchenhaften Prämisse. Nur in wenigen bedeutsamen Momenten kehrt der Film in wirklich märchenhafte Gefilde ein, die dann im Wasser eine berührende Aura verströmen. Ansonsten verleiht alleine schon die Liebesgeschichte dem Alltag ein märchenhaftes Gewandt.
(Christian Meyer-Pröpstl)
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