Schwesterlein
Schweiz 2020, Laufzeit: 101 Min., FSK 12
Regie: Véronique Reymond, Stéphanie Chuat
Darsteller: Nina Hoss, Lars Eidinger, Marthe Keller
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Krebsdrama um Theatermenschen
Hänsel, Gretel und der Krebs
„Schwesterlein“ von Stephanie Chuat und Veronique Reymond
Es ist was faul – nicht im Staate Dänemark, sondern im Körper des Hamlet-Darstellers: Sven (Lars Eidinger) hat Krebs. Am Beginn des Dramas der Filmemacherinnen Stephanie Chuat und Veronique Reymond kommt er gerade aus der Klinik, von der Krankheit gezeichnet, aber noch mit der Erwartung, dass er irgendwann wieder in seiner Paraderolle als Dänenprinz auf der Bühne stehen kann. Lisa (Nina Hoss) hat einst als Bühnenautorin brilliert; mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann, der ein Elite-Internat leitet, und den Kindern in einem kleinen Ort in der Schweiz. Seit der Erkrankung ihres Bruders, mit dem sie nicht nur die Leidenschaft fürs Theater, sondern auch eine innige Liebe eint, kann sie nicht mehr schreiben.
Nun holt sie Sven zu sich und ihrer Familie, um ihn wieder auf die Beine zu bringen. Es beginnt eine Zeit zwischen Hoffnung und Bangen, die für Lisa immer mehr zum emotionalen Stresstest wird – weil die aggressive Leukämie Sven auch nach einer Knochenmarkstransplantation nicht aus den Klauen lässt, aber auch, weil sich im Lauf der Handlung Spannungen zwischen ihr und ihrem Ehemann abzeichnen: Es schwelt die Frage, ob das Paar in Lisas Heimat Berlin übersiedelt oder aber, wie Lisas Mann es will, dessen Karriere zu Liebe in der Schweiz bleibt. Lisa versucht, ruhig und stark zu bleiben, um Sven die Unterstützung zu geben, die sein fragiler Zustand erfordert. Doch allmählich wächst die Verzweiflung. Und die Wut.
„Schwesterlein“ ist ein klassisches Krebsdrama, dessen Blick allerdings über die Krankheit hinausreicht und ein vielschichtiges Bild der Existenzen seiner Figuren entwirft. Da ist die grausame Gleichzeitigkeit des Ungeheuren und des Alltäglichen: Die Welt dreht sich weiter, Svens Krankheit und nahendem Tod zum Trotz, und die Geschwister müssen in ihrer Angst und ihrem Kummer sehen, wie sie damit umgehen. Da beide eingefleischte Theatermenschen sind, schließt dieses Umgehen die Kunst mit ein. Zunächst als Hoffnung, wenn Sven und Lisa darauf hinarbeiten, Sven wieder von Regisseur David (gespielt vom realen Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier) auf die Berliner Bühne bringen zu lassen; schließlich als Versuch, eine Sprache für – oder gegen – das Grauen des Sterbens zu finden.
Jenseits aller platten Sentimentalität gelingt er der sensiblen Inszenierung und den hervorragenden Darstellern, dieses Ringen zur fesselnden emotionalen Tour de force zu machen. Nicht zuletzt Nina Hoss läuft einmal mehr zu Bestform auf: Mit bewundernswerter Präzision arbeitet sie die changierenden, immer mehr der Überforderung zueilenden Gefühlslagen ihrer Figur heraus. Das kluge Drehbuch unterstützt ihre Geschichte mit einem Gespinst an kulturgeschichtlichen Verweisen, das von Shakespeares „Hamlet“ über Brahms' Volkslied „Schwesterlein, Schwesterlein, wann gehn wir nach Haus?“ bis zu „Hänsel und Gretel“ reicht. Am Ende mag das Schweigen des Todes stehen – doch die Figuren in „Schwesterlein“ leisten mit ihrer Liebe zueinander und zur Kunst bis zuletzt Widerstand.
(Felicitas Kleiner)
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