
Hardcore
USA, Russland 2015, Laufzeit: 92 Min., FSK 18
Regie: Ilya Naishuller
Darsteller: Haley Bennett, Sharlto Copley, Tim Roth
Filmische Adaption eines Egoshooter-Spiels
Egomovie
„Hardcore“ von Ilya Naishuller
Spielt man einen klassischen Egoshooter, dann nimmt man den Blick des Protagonisten ein und lenkt ihn durch die Level, in denen sich der Held durch die feindlichen Fronten schießt und taktiert. Die subjektive Kamera vermittelt dabei ein hohes Maß an Nähe zum Geschehen. Die unmittelbare Perspektive aus Sicht des Helden und das Vermögen, seine Bewegungen zu steuern, erlauben große Identifikation, was dem Spieler den einen oder anderen Adrenalinschub und Schreckmoment beschert oder angespannt die Luft anhalten lässt. Standardisiert warnen die Hersteller hier vor epileptischen Anfällen. Der Spieler taucht massiv ein in die virtuelle Welt, man ist mitten drin, statt nur dabei. Der Held trägt einen anderen Namen, aber eigentlich ist er ich. Und ich bin er. „Hardcore“ adaptiert das Erleben eines Egoshooters auf die Leinwand. Ähnliches hat 2014 schon Andreas Tom mit “FPS – First Person Shooter“ versucht. „Hardcore“ nun hat das Konzept inhaltlich überdacht und verfügt über ein spürbar höheres Budget.
Regisseur Ilya Naishuller geht die genre-Adaption vom Spiel zum Film äußerst konsequent an. Erzählt wird die Geschichte von Henry, der in einem Labor erwacht und zu einem Cyborg operiert wurde. Er erhält einen künstlichen Arm und eine Beinprothese, die ihm besondere Kräfte verleihen. Eine attraktive Krankenschwester begleitet ihn bei seinen ersten Gehversuchen. Gerade wird seine Stimme moduliert, da stürmen Bewaffnete unter der Führung eines Albinos mit Jedi-Kräften das Labor. Henry kann fliehen, trifft schon bald auf weitere Gegner und muss fortan kämpfen.
Angefangen mit der Eröffnungssequenz, in der sich der Held in Ruhe orientiert, über seine Flucht bis hin zu seinem ersten Kill: Der Film bedient bis ins Detail die Gangart und die Erzählstruktur seines Vorbilds. Und er geht diesen Weg konsequent weiter: Henry trifft auf Unterstützer, erholt sich vom Kampfgeschehen in passiven Zwischensequenzen, wird entwaffnet, bewaffnet sich wieder, lädt seinen Akku auf, trifft zunehmend stärkere Feinde, bis er im Finale dem übermächtigen Endgegner gegenüber steht. Die Figur vollzieht die bekannten Moves nach, das Blut kleckert, (halbe) Köpfe fliegen, die Gegner werden stärker, die Waffen zerstörerischer.
Das ist zum einen bis hinein in die technische Umsetzung ein überzeugender Spaß. Zum anderen hat der Film ein grundsätzliches Problem: Ihm fehlt die Identifikation mit dem Helden. Und das ist auf den ersten Blick geradezu absurd, nimmt die Kamera doch ausnahmslos die Sicht des Helden ein. Doch zur Identifikation gehört ein Charakter. Ein Charakter wie Jason Statham in „Crank“, ein Typ zum anfassen, ein Mann mit Profil, der nicht nur austeilt, sondern auch schwitzt, flucht, leidet und witzelt. Henry indes ist weder zu sehen noch zu hören – ja, auch seine Stummheit ist der konsequenten Adaption aus dem Spielkosmos geschuldet. Das Problem: Im Spiel ist Identifikation dadurch gegeben, dass der Betrachter interagiert. Im Film aber ist er zur Passivität verdammt. Und dabei entgeht dem Betrachter erst recht nicht das reduzierte Handlungsgerüst dieses Streifens. „Hardcore“ bietet den einen oder anderen Lacher und fährt irgendwann noch eine originelle Avatar-Geschichte auf. Insgesamt aber weiß er vornehmlich szenisch zu unterhalten, ein Spannungsbogen indes ist Fehlanzeige. Auch das entspricht wiederum bloß der konsequenten Übertragung. Und so steht bei aller (Detail-)Liebe irgendwann die Frage im Raum, ob die Macher den Anforderungen an einen Genre-Film wie diesen noch gerecht werden.
„Hardcore“ indes ist und bleibt sich selbst genug, weil er das erste große Werk seiner Art ist. Was den Film übrigens grundlegend vom Spiel unterscheidet ist, dass er sich auch dem einen oder anderen Schnitt bedient, vornehmlich, um Zeit zu überbrücken. Dies geschieht im Spiel für gewöhnlich nur am Ende eines Levels. Und dort auch nur, um dem Rechner die Möglichkeit zu geben, zu laden. „Hardcore“ als Echtzeit-Actioner wäre die Kür gewesen. Andersherum verzichtet der Film auf Ladezeiten, Statusanzeigen und natürlich die Wahl des Schwierigkeitsgrades (sollte der Film auf unterschiedliche FSK--Freigaben geschnitten werden, käme man der Sache damit vielleicht nah).
Zum einen ist „Hardcore“ ein Brutalo-Actioner für eine entsprechend limitierte Zielgruppe. Zum anderen dürfte er so einige intellektuelle Debatten und filmphilosophische Diskurse lostreten. Vor allem aber dürfte er den Weg bereiten für weitere aufregende cineastische Exkurse. Jetzt aber warten wir erst einmal auf das Spiel zum Film.
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