Für Sama
Großbritannien 2019, Laufzeit: 95 Min., FSK 16
Regie: Waad al-Kateab, Edward Watts
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Erschütterndes Dokument über Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten
Leben und Sterben im Krieg
„Für Sama“ von Waad al-Kateab und Edward Watts
Waad al-Kateab hat angefangen zu filmen, als im Jahr 2011 in Aleppo die ersten Knospen des Arabischen Frühlings hoffnungsfroh aufgingen. „Unsere Revolution ist friedlich! Muslime und Christen gemeinsam!“, ruft es aus dem Off, während sie die ersten Demonstrationen filmt. Die Hoffnung war von kurzer Dauer. In Ermangelung einer einheitlichen Linie, aber auch dem gescheiterten Versuch, in ihren Gebieten eine öffentliche Ordnung herzustellen, übernahmen zunehmend religiöse Organisationen diese Funktion und bald auch die kriegerischen Handlungen. Dadurch konnte Assads Regime die Opposition brutal zurückschlagen, während der IS aufstieg. Aus einem einst friedlichen Versuch, einen freiheitlichen Umbruch zu erwirken, wurde schnell ein Bürgerkrieg mit einer unüberschaubaren Zahl an Parteien mit einer kaum zu entwirrenden Interessenlage, die in den letzten Jahren zunehmend internationale Parteien auf den Plan rief.
Die damalige Marketing-Studentin Waad al Kateab, die sich das Filmen selber beigebracht hat, hält dieses große Ganze der Politik weitgehend aus ihrem Film, dessen Vorläufer eine vielfach prämierte regelmäßige Filmreihe für Channel 4 News ab Januar 2016 ist. Stattdessen erzählt sie vom Alltag in Aleppo. Von ihren Freundinnen und Freunden, die sich im Arabischen Frühling politisieren. Von den zunehmenden Aggressionen des Regimes gegen die Demonstranten, von den ersten Massakern und Bombenangriffen. Dann wieder erzählt der Film von Hazma, einem Arzt, der nach dem Beschuss von Krankenhäusern ein neues Krankenhaus aufbaut. Und wie Hazma und Waad ein Paar werden und ihr erstes eigenes Haus beziehen. Und das alles mitten im Bürgerkrieg. Denn, das zeigt der Film auf erstaunlich eindrucksvolle Art: Das Leben geht weiter! Als auch das neue Krankenhaus beschossen wird, wird in einem leerstehenden Wohnkomplex gleich ein anderes aufgebaut, mit weniger Mitteln, unkomfortabler – aber ein Krankenhaus. Als die Beschüsse immer mehr zunehmen und auch das Wohnhaus Opfer des Kriegs wird, zieht das Paar in ein kleines Zimmer über dem Krankenhaus und ist so jederzeit einsatzbereit – im OP und an der Kamera. In dem Raum mit verbarrikadierten Fenstern feiern sie auch ihre Hochzeit. Schließlich muss Waad feststellen, dass sie schwanger ist. Sie ist verzweifelt. Darf man in eine solche Welt ein Kind setzen?
Den Widerspruch wird sie nicht auflösen. Doch das Paar entscheidet sich für das Kind und die junge Frau nimmt dies zum Anlass, Sama ihre Entscheidung zu erklären. „Für Sama“ ist ein filmischer Liebesbrief an ihre Tochter, ein Dokument der Hoffnung, aber auch ein Dokument des Schreckens, das zeigt, wie wunderbar und wie grauenvoll Menschen handeln können. Waad al-Kateab begleitet ihren Dokumentarfilm mit einem Off-Kommentar, mit dem sie sich liebevoll an ihre Tochter wendet und ihr erklärt, was dort in ihrem ersten Lebensjahr geschieht, auch wenn es nur schwer auszuhalten ist: Wir sehen wie Bomben fallen und die Räume des Krankenhauses erschüttern, wir sehen wie verletzte eingeliefert werden, wie häufig nur noch der Tod der Menschen feststellt werden kann. Wir sehen fürchterliches Leid, Trauer und Entsetzten. Wir sehen aber auch, wie die Menschen sich gegenseitig stützen und helfen, wie sie zusammenrücken und gemeinsam lachen. Der Film kulminiert in der ein halbes Jahr andauernden Belagerung von Aleppo, die für die kleine Familie und die meisten Überlebenden im Krankenhaus Ende 2016 mit der Evakuierung endet. Mit Hilfe des britischen Regisseurs Edward Watts wurde (mit ein bisschen viel Musikeinsatz) eine Dramaturgie aus dem umfangreichen Rohmaterial geformt, das Waad aus dem besetzten Gebiet schmuggeln konnte. Man muss eine Warnung aussprechen, weil der Film nicht zurückschreckt vor dem Schrecken und alles so nah und direkt zeigt, wie es die Menschen dort erlebt haben. Man sieht Verwundete, Sterbende und Tote. Aber „Für Sama“ ist ein unglaublich wichtiger Film. Nicht zuletzt, weil diese schockierenden Dinge passiert sind, sondern auch weil sie leider ganz aktuell auch wieder genau dort passieren, in einem Bürgerkrieg, der die Zivilbevölkerung vertreibt oder vernichtet.
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