Ein ganzes Leben
Deutschland, Österreich 2023, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: Hans Steinbichler
Darsteller: Stefan Gorski, August Zirner, Ivan Gustafik
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Naturalistisches Charakterporträt
Hartes Los
„Ein ganzes Leben“ von Hans Steinbichler
Die Grundlage für Hans Steinbichlers („Das Tagebuch der Anne Frank“) neuen Film „Ein ganzes Leben“ bildet der gleichnamige Roman von Robert Seethaler, der im Jahr 2014 erschien. Ein gewaltiger Titel, sowohl für ein Buch als auch für einen Film, zumal es die Vorlage gerade einmal auf 160 Seiten bringt. Man hat dabei von Anfang an das Gefühl, dass dies ähnlich problematisch werden könnte wie bei manchen der so beliebten Biopics, die ein ganzes, oftmals mehrere Jahrzehnte umspannendes Künstlerleben in lediglich zwei Stunden nacherzählen wollen. Dass dabei zwangsläufig allerhand auf der Strecke bleiben muss, versteht sich von selbst. Und dennoch haben es sowohl Seethaler als auch Steinbichler geschafft, dieser Prämisse weitgehend gerecht zu werden. Natürlich muss Etliches unausgesprochen bleiben, aber man bekommt ein gutes Gefühl dafür, was das Leben dieses spannenden Protagonisten Andreas Egger ausgemacht haben muss, der in der Filmversion von drei verschiedenen Schauspielern verkörpert wird – wobei Stefan Gorski die Mammutaufgabe zukommt, die Figur auf der Leinwand zu formen und sie im überwiegenden Teil der zweistündigen Spielzeit darzustellen.
Als Andreas (Ivan Gustafik) auf den Hof eines entfernten Verwandten kommt, ist er dort eher geduldet als erwünscht. Nach dem Tod seiner Stiefbrüder bleibt ihm als einzigem männlichen Nachkommen (jetzt Stefan Gorski) erspart, als Soldat in den Ersten Weltkrieg zu ziehen. Aufgrund der körperlichen Züchtigungen seines Stiefvaters ist er ein Krüppel, der sich aber dennoch unbeirrt und mit schwerer Arbeit seinen Weg im Leben erkämpft und schließlich zu einer angesehenen Person im aufstrebenden Bergdorf wird. In Marie (Julia Franz Richter) findet Andreas seine große Liebe, doch ein glückliches und sorgloses Leben ist ihm auch nach der Hochzeit mit ihr nicht vergönnt.
Hans Steinbichler hat „Ein ganzes Leben“ auf sehr visuelle Weise in Szene gesetzt und das beeindruckende Gebirgspanorama in Südtirol für atemberaubende Bilder genutzt. Insbesondere in der ersten Filmhälfte sind die Dialoge auf ein Minimum reduziert, da die Hauptfigur äußerst wortkarg ist. In solchen Momenten kann man kaum glauben, dass der Film auf einer literarischen Vorlage basiert. Andererseits ist es den Filmemachern auf ganz hervorragende Weise geglückt, die Atmosphäre des entbehrungsreichen und körperlich anstrengenden Lebens in der Bergwelt des frühen 20. Jahrhunderts sehr präzise und überzeugend einzufangen. In manchen Momenten kann man auch als Zuschauer die körperlichen Anstrengungen des Protagonisten quasi physisch spüren, insbesondere in der packend inszenierten Szene nach einem folgenschweren Lawinenunglück. Dass der Funke auf das Publikum auf diese Weise überspringt, liegt nicht zuletzt an Stefan Gorskis sehr körperbetonter und intensiver Darstellung, die am Ende nach der Übernahme der Rolle durch August Zirner ebenso überzeugend zum Abschluss gebracht wird.
(Frank Brenner)
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