
Der unverhoffte Charme des Geldes
Kanada 2018, Laufzeit: 129 Min., FSK 12
Regie: Denys Arcand
Darsteller: Alexandre Landry, Maripier Morin, Rémy Girard
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Satirischer Krimi
Pulp Anti-Capitalism
„Der unverhoffte Charme des Geldes“ von Denys Arcand
Intelligenz ist ein Handicap, denkt Pierre-Paul (Alexandre Landry) aus Montreal, denn: Wer intelligent ist, der lügt nicht gern und ist somit zum erfolglosen Dasein verdammt. Außerdem verdirbt Geld den Charakter, da ist es nur folgerichtig, dass der Kapitalismuskritiker keines besitzt. Entsprechend schicksalsergeben jobbt der Doktor der Philosophie für kleines Geld als Lieferant und engagiert sich ehrenamtlich für Obdachlose. Und weil die Begrifflichkeit der Liebe nicht greifbar definiert ist, bringt er kein „Ich liebe dich“ über die Lippen und wird dafür just von seiner Freundin verlassen. Doch auch hier fügt sich Pierre-Paul stoisch seiner Bestimmung und merkt dabei nicht, dass er weniger an seiner Intelligenz scheitert, als vielmehr an Pedanterie und eherner Moral. Letztere wiederum wird herausgefordert, als unverhofft eine beträchtliche Summe Diebesgut vor seinen Füßen landet. Pierre-Paul erliegt dem Charme des Geldes und greift zu. Beflügelt ruft er sich ein Callgirl (Maripier Morin), die Lady nennt sich Aspasia, wie die Freundin des Aristoteles – da kann Pierre-Paul nicht nein sagen. Intelligenz schützt nun mal vor Fehlern nicht, und schon bald sieht sich Pierre-Paul verfolgt von Polizei, dem Schalk der Aspasia und denen, die ihr Geld zurück haben wollen. Und der Räuber des Raubguts stellt sich fortan der Schicksalsfrage: Verdirbt Geld den Charakter?
Der kanadische Regisseur Denys Arcand hat sich bereits 1986 einen Namen mit seiner Gesellschaftssatire „Der Untergang des amerikanischen Imperiums“ gemacht, der er siebzehn Jahre später die Fortsetzung „Die Invasion der Barbaren“ folgen ließ. Hier wie dort ein frecher Blick auf die Gesellschaft und den Verfall der Werte, getragen von starkem Dialog, prickelndem Schwung und derber Kante. Dies gelingt nun auch seinem neuesten Werk, das keine weitere Fortsetzung bildet und stattdessen in einen waschechten Pulp-Krimi gebettet ist. Entsprechend schroff und unbarmherzig geht es hier mitunter zu. Arcand erweitert sein Oeuvre um eine gewisse Coolness und würzt sein neues Drama mit einer Prise Tarantino, streut absurde Situation und Konstellation ebenso ein wie Blut, schräge Typen, Sexyness. In Sachen Dialog sind die zwei Autorenfilmer gleichauf, nur diskutiert Arcand eher den Wert des Geldes und weniger die Typenbezeichnung von Cheeseburgern auf dem europäischen Festland.
Arcand übt auch hier Gesellschaftskritik. Was dabei hervorsticht ist, dass er dabei weniger den intellektuellen Diskurs bemüht, sondern vielmehr knackig spricht und sein Ansinnen auch pointiert über das Bild transportiert. Wenn im Laufe des Geschehens ein Investor zu Hilfe gezogen wird, offenbart Arcand in kurzer Schnittfolge die unverblümte Leichtigkeit, mit der Geldwäsche heutzutage vollzogen wird – so man über entsprechende Verbindungen verfügt. Und wenn Arcand zum Ende hin eine Szenenfolge auf die Leinwand wirft, in der Obdachlose stumm in die Kamera blicken, dann ist das aussagekräftiger als zwei Stunden Zeigefingerkino, wie es Gutmensch Emilio Estevez gerade mit „Ein ganz gewöhnlicher Held“ vorführt, in dem er sich, durchaus charmant, aber recht verklärt auf die Seite der Wohlstandsverlierer schlägt. So gelingt Arcand in einer Sequenz das, worum sich Estevez mit einem ganzen Film nur stets bemüht. Estevez zeigt auf die Bösen – Arcand fragt: Was macht das böse Geld mit jedem von uns? Akzentuiert und getragen von einem klugen Gerüst, bekommt die Wohlstandsgesellschaft jedenfalls auch hier wieder ordentlich einen vor den Latz. Die Maschine läuft, die Moral bleibt ewiges Erbe der Verlierer. Obwohl: Ein Funken Hoffnung bleibt. Dass der Mensch noch menschlich ist, und Menschlichkeit noch Gutes meint. Und so läuft auch Arcands neuer Film, bei aller Skepsis, optimistisch aus. Ein wunderbarer Streifen, pulp und klug, bei dem, selbst bei überraschend frechem Abgang, alles im Lot ist. Nun, vielleicht abgesehen davon, dass die Damen hier durchweg eine Spur zu hübsch ausfallen.
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