Der kleine Nick erzählt vom Glück
Frankreich, Luxemburg 2022, Laufzeit: 82 Min., FSK 6
Regie: Amandine Fredon, Benjamin Massoubre
>> www.leoninedistribution.com/filme/164314/der-kleine-nick-erzahlt-vom-gluck.html
Charmant animierte Adaption der bekannten Kinderbücher
Lachen ist das Wichtigste
„Der kleine Nick erzählt vom Glück“ von Amandine Fredon und Benjamin
Jean-Jacques Sempé (1932-2022) wächst unter gewalttätigen Pflegeeltern auf, später wohnt er wieder bei seiner leiblichen Mutter und leidet weiter unter dem Stiefvater. Als Schüler beginnt er, leidenschaftlich zu zeichnen. Weltweit bekannt wird er schließlich mit „Der kleine Nick“, den er in Kooperation mit „Asterix“-Autor René Goscinny (1926-1977) zum Leben erweckt. Zwischen 1959 und 1964 entstehen über zweihundert Geschichten. Geschichten über einen kleinen Jungen in Paris. Über eine glückliche Kindheit. Eine Kindheit, die Sempé verwehrt blieb – und die er nun in seiner Phantasie nachholt und in Geschichten bannt.
Filmadaptionen vom „Kleinen Nick“, bzw. „Nicolas“, wie er im französischen Original heißt, erfolgen erst im Jahr 2009. Zum einen fürs Kino als vergnügliche Realfilmreihe, die es bisher auf drei Teile bringt. Die Fernsehserie aus demselben Jahr veranschaulicht indes, wie grausam adrettes Handwerk verunstaltet werden kann: Sempés liebevoll feingeschwungener Zeichenstil weicht hier einer charakterlosen CGI-Animation, die sich auf den Kinderkanälen, von Bibi bis Biene Maja, inzwischen als Status Quo durchgesetzt hat. Ein Trauerspiel von cleaner, konturloser Phantasielosigkeit.
Mitunter aber, zum Glück, erblicken Filme wie dieser das Licht der Leinwand. Goscinnys Tochter Anne begleitete Produktion und Drehbuchentwicklung, Sempé selbst segnete noch vor seinem Tod 2022 erste Entwürfe und Animationstests ab. In jeder Sekunde ist spürbar, mit welchem Respekt, mit welcher Anmut und Spielfreude das Regieteam Amandine Fredon und Benjamin Massoubre ans Werk gegangen ist. Komponist Ludovic Bource („The Artist“) unterlegt sympathisch flott das Geschehen.
Der narrative Clou: Auch Leben und Wirken von Goscinny und Sempé finden Einzug in die Geschichte, bilden den Rahmen rund um die Abenteuer von Nick und seinen Freunden. So sind wir zu Beginn Zeuge der Geburtsstunde des jungen Helden, als sich Goscinny und Sempé im Bistro treffen und aus einer Skizze Nicks Welt spinnen. Irgendwann dann sitzt Goscinny vorm Textblatt und tritt in Dialog mit Nick: „Würdest du das sagen?“, will er wissen – und Nick antwortet. So erwacht Nick hier, wie einst Gepettos Pinocchio, zum Leben, und plaudert mit seinen Schöpfern. Ein wundervoller, leichthändig arrangierter Austausch. Autark eingestreut sind dann die Abenteuer aus dem Alltag Nicks, die sich um den ersten Fernseher drehen, um allerlei Streiche, um Mädchen und um Jungs. Die biografischen Sequenzen orientieren sich dabei zeichnerisch an Sempés anderen, satteren Werken. Nicks Geschichten indes greifen die Vorlagen der Kinderbuchreihe auf: fein und leicht gezeichnete Illustrationen, die kunstvoll zum Bildrand hin über Schwarzweiß ins Nichts auslaufen. Schlichtweg wundervoll.
Die biografische Elemente rund um Sempé und Goscinny, darauf sei verwiesen, gestalten sich mitunter auch mal weniger unbeschwert: die getrübte Kindheit Sempés, die Besetzung Frankreichs durch die Nazis oder der Tod Goscinnys: All das findet Einzug hier. Doch bildet dergleichen keinerlei Überforderung für ein junges Publikum. Denn: Die Künstler erzählen ja dem kleinen Nick von ihren Schicksalsschlägen, und das tun sie – kindgerecht. Vor allem aber wird die Anbahnung etwaiger Schwere allseits abgefedert: Durch den optimistischen Blick der Künstler, durch den unbeschwerten Kinderblick. Durch den Trost in Kunst und Phantasie. „Lachen ist das wichtigste“ hat Goscinnys Vater mal zu seinem kleinen René gesagt. Dieser Film beschert ein Dauergrinsen. Mindestens.
(Hartmut Ernst)
Filmpreis mit Geschmäckle
Deutscher Filmpreis vor der überfälligen Reformierung – Vorspann 06/23
Die Kunst der Verdichtung
„Das Lehrerzimmer“ mit Drehbuchautor Johannes Duncker im Weisshaus-Kino - Foyer 05/23
Von kinderlos zu kinderfrei
Sondervorführung „Me Time“ im Odeon Kino
Sozialismus und Sextourismus
Preview: „Vamos a la playa“ in der Filmpalette
Bruch mit arabischen Stereotypen
„Mediterranean Fever“ im Filmhaus – Foyer 05/23
Start der neuen „Filmgeschichten“
„Eins, zwei, drei“ im Filmforum – Foyer 04/23
Genrefizierung
Ausformungen der Filmkategorisierung – Vorspann 05/23
„Bei Schule können wir nicht einfach etwas behaupten“
3 Fragen an Johannes Duncker, Drehbuchautor von „Das Lehrerzimmer“ – Gespräch zum Film 04/23
Bereichernde Begegnungen
„Anne-Sophie Mutter – Vivace“ mit Filmgespräch im Cinenova
Komplizinnenschaft
Das IFFF bietet einen Blick auf feministische Solidarität – Festival 04/23
Grenzüberschreitende Geschichten
Filmforum NRW mit eigener Filmreihe „Grenzgänge“ – Reihe 04/23
Selfie mit dem Raptor
Dino-Show „Jurassic World: The Exhibition“ in Köln - Film 04/23
„Petzold hat einen Reichtum an Anekdoten“
Enno Trebs über „Roter Himmel“ – Roter Teppich 04/23
Formen und Strukturen
Drei Alfred Ehrhardt-Programme im Filmhaus – Film 04/23
Akward Awards
Die Mysterien der Filmpreisvergabe – Vorspann 04/23
„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23
„Die Lust am Kinoerlebnis nimmt wieder zu“
3 Fragen an Filmforum-Leiter Robert Birkel – Kino.Köln 03/23
Schelm und Wahrheit
Wenn Komik Ernst macht: Von Erhardt bis Engelke und Lobrecht - Portrait 03/23
Mysteriöses auf schottischem Landsitz
„Der Pfau“ im Cinedom – Foyer 03/23
„Emotionen kochen hoch und Leute entblößen sich“
Lavinia Wilson über „Der Pfau“ – Roter Teppich 03/23
Frühling und Filme
Geschichtsunterricht und Kino im Kino – Vorspann 03/23
Alle Farben der Welt
37. Teddy-Award-Verleihung bei der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Drei NRW-Filme im Berlinale-Wettbewerb
20. NRW-Empfang im Rahmen der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Hochwertiges deutsches Filmschaffen
Verleihung des Preises der Deutschen Filmkritik 2022 auf der Berlinale – Foyer 02/23
Reizüberflutung mit Konzept
Symposium der Dokumentarfilminitiative – Festival 01/23