Ballon
Deutschland 2018, Laufzeit: 125 Min., FSK 12
Regie: Michael Bully Herbig
Darsteller: Friedrich Mücke, Karoline Schuch, David Kross, Thomas Kretschmann
>> www.studiocanal.de/kino/ballon
Dynamisches Fluchtdrama
Wir ziehen das durch!
„Ballon“ von Michael Herbig
Bully ade! Vorbei mit der Spaßparade, mit Manituschuh, mit Lissi und (T)Raumschiff Surprise. Zumindest vorerst: Michael Herbig meint es nämlich ernst jetzt, inszeniert sein erstes Drama und spielt selbst gar nicht mit. Für seinen Genrewechsel knüpft er sich eine wahre Flüchtlingsgeschichte vor: 1979 wagen zwei Familien aus Thüringen die Flucht aus der DDR nach Westdeutschland – mit einem selbst gebauten Fesselballon.
Eine der beiden Familien steht im Fokus der Betrachtung: Der Elektriker Peter (Friedrich Mücke), seine Frau Doris (Karoline Schuch), ihr jugendlicher Sohn und sein sechsjähriger Bruder. Zu viert sind sie gerade erst mit einem ersten Ballon vor der Grenze bruchgelandet – und gerade noch davon gekommen. Jetzt hat Doris Muffensausen, doch Peter will nochmal und setzt sich durch. Nur benötigt die Achtschaft für einen zweiten Ballon 200 Meter Stoff, und den kann man natürlich nicht mal eben im Laden kaufen, weil: Denunzianten allerorten! Und ganz vorneweg Oberstleutnant Seidel (Thomas Kretschmann) von der Stasi, der die Sache persönlich nimmt und den Vaterlandsverrätern dicht auf den Fersen ist. Als wäre das nicht schon genug, verknallt sich Peters Sohn noch in die linientreue Nachbarstochter.
An sich bietet hier das wahre Leben schon genug Drama: Zum einen natürlich die Vorbereitung zur Flucht unter Zeitdruck und in Allgegenwart wachsamer Augen. Technische Herausforderungen tun ihr übriges, Pech und Pannen erfordern Improvisation. Menschlich bewegt dann noch die Zerrissenheit der Mutter, die raus will, aber stets erkennt, dass sie damit ihrem Zuhause, der Heimat für immer den Rücken kehrt. Und die Angst hat, dass man ihr bei erneutem Scheitern die Kinder wegnimmt. Nur: Derlei inneren Konflikten schenkt Herbig letztlich kaum Aufmerksamkeit. Was ihn vielmehr beschäftigt und ihm durchaus gelingt, ist Spannung zu halten und pompös und knackig zu inszenieren. Das funktioniert vor allem in der ersten halben Stunde, in der Nacht des ersten Fluchtversuchs, wenn der Score von Herbigs Hofkomponist Ralf Wengenmayer noch hintergründig brodelt.
Am Ende wird dieses Thrillerdrama in Musik ertrinken, und überhaupt ist dann nicht mehr viel Seele übrig. Herbig schafft Stereotypen, ebenso in Charakterzeichnung wie im Storytelling. Stasimann Seidel ist derart diabolisch angelegt, dass er einem Tarantino-Film entspringen könnte, die Geschichte selbst ist mit szenischen Twists zugepflastert, die schnell redundant und vorhersehbar sind. Herbig scheint der Geschichte selbst nicht zu trauen. Statt sie bloß zu erzählen, konstruiert er Geschichten: Ein Vorfall entpuppt sich als Traum, die Tür, an der die Stasi anklopft, ist nicht die Tür, die sie vorgibt zu sein. Ein Fluchtfahrzeug springt nicht an. Herbig macht das technisch alles souverän, doch die Geschichte bedient sich dabei schon unerhört der Klamottenkiste der Thriller-Narration und ist hoffnungslos auf Spektakel überhöht. Bei jedem Klingeln oder Schellen: aufgerissene Augen!
Kann man alles machen, man muss sich bloß entscheiden. Und für diesen ganzen schrägen Bombast nimmt sich „Ballon“ viel zu ernst – weil: Bully ade. Aber geben wir Michael Herbig noch eine Chance.
(Hartmut Ernst)
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