Jupp Heynckes wirkte fast ein wenig verlegen, als ihm die Moderatorin im Bezahlfernsehen zum Titel des Rekordsiegers gratulierte. Aus Bescheidenheit oder ob der ungeheuren Tragweite dieser Auszeichnung, wurde nicht genau klar. Schließlich gab sich der frisch Dekorierte alle Mühe, freundlich zu antworten.
Seit Samstag hat der Trainer des FC Bayern 456 Bundesligasiege als Spieler (174) und Trainer (282) auf dem Konto, so viele Erfolge wie sonst niemand. Mit dem 2:0-Erfolg über den VFL Wolfsburg überholte „Don Jupp“ sogar Otto Rehhagel. Aber wer außer Jessica Kastrop und der Sky-Redaktion kannte diesen Wettbewerb überhaupt?
Sogar die übrigen Ergebnisse des Spieltags rückten darüber ein wenig in den Hintergrund. Mit gutem Recht. Denn außer dem Sieg der Gladbacher über die Bayern eine Woche zuvor hat sich noch nicht wirklich viel getan, seitdem die Liga wieder spielt und auf Winterwetter wartet: Bayern und Dortmund hätten gern den Zweikampf, die Gladbacher wollen einfach nicht nachlassen, und die Schalker als immerhin Drittplatzierter reden ziemlich wenig und schon gar nicht vom Titel.
Beste Voraussetzungen also für einen gepflegten Vierkampf, der noch einige Zeit andauern könnte. Einzige Variable in der Rechnung: Während die drei Verfolger eher am oberen Limit ihres Könnens agieren, bewegt sich das bayerische Starensemble schon seit geraumer Zeit nur knapp oberhalb der eigenen Zumutbarkeitsgrenze. Sollte sich dies doch noch ändern, wäre der von den vielen Experten im Land prognostizierte Alleingang da. Darauf deutet allerdings wenig hin.
Mit Werder Bremen beginnt aktuell der Bereich der Liga, in der alles denkbar ist außer Kontinuität. Hier kann jeder jeden schlagen – ein Grund dafür, weshalb die Bundesliga so gern als die eigentlich stärkste Liga überhaupt gehandelt wird. Vor allem von denen, die sich darin tummeln und solchen, die sich gern dort tummeln würden.
Aktuell tun alle alles dafür, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Unterhaltungswert des Premium-Produkts Bundesliga beizutragen: Bayer Leverkusen gönnt sich die Querele Michael Ballack, als ginge es um sonst nichts; Hoffenheim entledigt sich nach und nach seines Sturmpersonals – und schießt aus unerklärlichen Gründen trotzdem ein Tor gegen formidabel auftrumpfende Dortmunder; Hannover, Wolfsburg, Hamburg und Nürnberg gewinnen oder verlieren; Stuttgart und Hertha orientieren sich konsequent nach unten, wo mit Kaiserslautern, Augsburg und Freiburg die üblichen Verdächtigen warten, die ihrerseits immer mal wieder punkten.
Auch bei den Kölnern läuft alles wie gehabt. Zuerst hatte man in Wolfsburg kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu, dass Lukas Podolski kein 2:0 gegen Schalke gelingen wollte. Aus Kölner Sicht wäre der Sack dann zu gewesen, für alle übrigen Interessierten die Partie nur 2:4 ausgegangen. So aber verlor der FC in ähnlicher Manier wie beim 1:5 im Hinspiel.
Dabei ist wieder einmal der Verlauf der FC-Niederlage das eigentlich Faszinierende: nach „Poldis“ frühem 1:0 mit allen Karten in der Hand bis weit in die zweite Halbzeit; nach dem Ausgleich offensiv nur noch Peszkos Schuss, den Schalkes Torhüter Lars Unnerstall pariert. Die eigenen Fehlerquellen, vor allem in der Verteidigung, innen wie außen, treten anschließend schonungslos zutage. Das erste Gegentor zählt im Grunde doppelt, denn danach zerfällt die Kölner Mannschaft in ihre Einzelteile.
Bleibt für den FC-Fan nur die traurige Aussicht, dass „Poldi“ wegen einer Verletzung im linken Fuß wohl vier Wochen ausfällt. Dem Rest der Liga ist dies eher egal, er hat genug mit sich selbst zu tun. Und ist vielleicht sogar dankbar, dass der unverhoffte Rekordsieger kurzfristig etwas Aufmerksamkeit auf sich zieht. Denn worüber würden wir uns noch unterhalten, gäbe es inzwischen nicht für alles Statistiken und Rekorde.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
19 neue Standorte
KulturMonitoring in NRW wird ausgeweitet – Theater in NRW 05/25
Gegen Genderklischees
Eine Operetten-Wiederentdeckung in Köln – Oper in NRW 05/25
Tiefgründige Leichtigkeit
Marc Chagall in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 05/25
Großer Auftritt zum Finale
Der Pianist und Dirigent Lahav Shani in Dortmund – Klassik an der Ruhr 05/25
Sackschwer
Zamus: Early Music Festival 2025 in Köln – Klassik am Rhein 05/25
Kindheit zwischen Flügeln
Anna Vinnitskaya in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 04/25
Klaviertrio am Puls der Zeit
Das Pablo Held Trio auf der Insel – Improvisierte Musik in NRW 04/25
Mahnung gegen das Vergessen
„Die Passagierin“ am Theater Krefeld – Oper in NRW 04/25
In globalen Zeiten
Elias Sime im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/25
Über Glaubensfragen
Mendelssohns „Elias“ am Theater Krefeld-Mönchengladbach – Klassik an der Ruhr 04/25
Plötzlich und heftig
Das Land NRW kappt Säulen der Tanzförderung – Tanz in NRW 04/25
Nach Entlassung des Intendanten
Das Kölner Theater der Keller mit neuer Führung – Theater in NRW 04/25
Hauptsache: ein gutes Geschäft
„Die Dreigroschenoper“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/25
Die Geheimnisse bleiben
Axel Hütte im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 03/25
Besuch aus Schweden
Nina Stemme singt Mahlers „Kindertotenlieder“ in Köln – Klassik am Rhein 03/25
Künstler der Superlative
Trompetenstar Wynton Marsalis in der Essener Philhamonie – Improvisierte Musik in NRW 03/25
Der unmögliche Traum
„Der Mann von La Mancha“ am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 03/25
Opernstar zum Anfassen
„Festival Joyce DiDonato & Friends“ in Dortmund – Klassik an der Ruhr 03/25
Tanz der Generationen
„Kaleidoskop des Lebens“ von Choreografin Suheyla Ferwer – Tanz in NRW 03/25
Figur ohne Bewusstsein
„Don Giovanni“ an der Oper – Oper in NRW 03/25
Modelle für die Zukunft
Walter Pichler und Friedrich Kiesler in Krefeld – Kunst in NRW 02/25
Ein absoluter Tenor
Michael Spyres in der Philharmonie Essen – Klassik an Ruhr 02/25
Von Heilern und Kindern
Abel Selaocoe in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 02/25
Überraschungen vorprogrammiert
Das Urbäng Festival 2025 in Köln – Tanz in NRW 02/25
Utopie von Licht und Liebe
„Jolanthe“ und „Der Feuervogel“ in Hagen – Oper in NRW 02/25