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Foto: Mira Moroz

Der gefallene Held

27. Februar 2014

Glaubenskrieg und Eros in Saint-Saens Samson und Dalila – Opernzeit 03/14

Seit jeher ist Gaza ein Krisengebiet. Heute sind es Israelis und Palästinenser, die sich feindlich gegenüber stehen, ohne dass ein dauerhafter Frieden in Aussicht wäre, in biblischen Zeiten waren es die Hebräer und die Philister. Heute wie damals sind die unterschiedlichen Religionen beider Völker der Zündstoff des Konflikts.

Die alttestamentarische Handlung der Oper ist dem Buch der Richter, Kapitel 13-16 entlehnt. Das Volk Israel war nach dem Exodus in Palästina eingewandert. Das erste Gebot missachtend – Du sollst keine anderen Götter neben mir haben – fiel es in den Polytheismus zurück. Zur Strafe verdammte Jahwe sein abtrünniges Volk in die Knechtschaft der Philister. Samson, seiner unfruchtbaren Mutter von einem Engel als Befreier seines Volkes verhießen, führt nun das Ende der Knechtschaft herbei. Die Hebräer erheben sich gegen die Philister und gehen als Sieger hervor. Das Geheimnis seiner gigantischen Stärke liegt in seinem langen Haar, das er sich nicht scheren darf, ansonsten verliert er seine von Gott verliehene Kraft. Samson erliegt Dalilas erotischen Verführungskünsten und lässt sich den Grund seiner Stärke entlocken, womit er sich und sein Volk an den Rand des Abgrundes führt. Im Gegensatz zur biblischen Überlieferung ist Dalila Tempelprostituierte und Priesterin des Dagon, dem Vegetationsgott der Philister. Der wehrlose Samson wird geblendet und öffentlich während eines orgiastischen Bacchanals im Dagon-Tempel gedemütigt. Er bereut seinen Fall und bittet Jahwe, ihm ein letztes Mal seine Kraft zurückzugeben. Sein Gebet wird erhört, der rächende Gott duldet keine unheilige Allianz mit dem falschen Glauben, und Samson bringt den Tempel der Philister zum Einsturz, der alle unter sich begräbt.

Saint-Saens hatte sich schon länger mit dem Samson-Thema beschäftigt und plante zunächst ein Oratorium, als ihn 1868 sein Librettist Lemaire überredete, den Stoff als durchkomponierte Oper auszuarbeiten. Die oft eher statischen Chorszenen lassen die ursprüngliche Konzeption des Werkes noch erkennen. Im Zuge der Wiederentdeckung der Bachschen Oratorien durch Felix Mendelssohn Bartholdy Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet Saint-Saens im ersten und dritten Akt auch Fugen, was für Opern seiner Zeit ungewöhnlich ist. Dagegen sind die Auseinandersetzung zwischen Dalila und dem Oberpriester des Dagon im zweiten Akt, die Verführungsszene, sowie das auf orientalischen Melodien beruhende orgiastische Bacchanal mit Ballett im dritten Akt operntypisch. Orientalismen verleihen der Musik eine flirrende Sinnlichkeit: die Begleitung der Chöre durch exotisches Schlagwerk, die mit Verzierungen geschmückte absteigende Chromatik der Gesangslinien Dalilas in tiefer, sinnlicher Mezzosopranlage, die phantastische Rhythmik in Kombination mit pentatonischen Melodiebildungen in der großen Tanzszene des Bacchanals.

Saint-Saens legt das dreiaktige Werk symmetrisch an: Die Rahmenakte sind durch große Chorszenen gekennzeichnet, den Mittelakt bestimmen die Solisten. Somit schafft er eine Opernform, die gattungsgeschichtlich im Frankreich des 19. Jahrhunderts kein Vorbild hat. Der Komponist vollendet das Werk im Januar 1876. Nachdem das in Teilen aufgeführte Werk in seinem Heimatland kühl aufgenommen wird, lässt der Komponist die ganze Oper auf Anregung von Franz Liszt in deutscher Übersetzung in Weimar uraufführen. In Deutschland ist das Stück sofort ein großer Erfolg, wogegen es noch bis 1890 dauert, bis eine französische Bühne (Rouen)Samson et Dalilaherausbringt. Erst danach setzt sich das Werk, das die Tradition der Grand Opéra überwindet, auch in Frankreich durch.

„Samson und Dalila“ | 16., 19., 21., 23.3 | Oper am Dom, Köln

Kerstin Maria Pöhler

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