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Über den Dächern von Marl – naja, fast
Foto: Joris / Adobe Stock

Der Beverly Hüls Cop

31. Oktober 2023

Warum Gewaltenteilung, wenn es nur eine Gewalt braucht? – Glosse

Weil er in Marl aufgewachsen ist, einer Stadt im nördlichen Ruhrgebiet, die von einem Chemiekonzern dominiert wird, nannten sie ihn den „Beverly Hüls Cop“. Deshalb und weil er seine Taten mit den Worten rechtfertigte: „Manchmal muss man das Gesetz brechen, um das Gesetz zu schützen.“ Und er fügte hinzu: „Das ist aus ‚Beverly Hills Cop‘. Glaube ich.“

Ein richtiger Cop war Silvio Stolarski jedenfalls nicht. Er war Elektriker bei einem großen Kfz-Zulieferer. Gewesen. Zumindest tagsüber. Nachts nahm er das Gesetz selbst in die Hand.

Gesetz der Nacht

Er wusste, dass da irgendetwas in der Chefetage nicht mit rechten Dingen zuging. Irgendwas mit wichtigen Landespolitikern. Das hätte Silvio Stolarksi nicht egaler sein können. Dass „die da oben“ schachern und mauscheln und Gelder über die Karibik in den Taschen der Politiker landen – was soll’s? Solange es nicht unser Geld ist.

Doch gab es einen, der wusste mehr, und dem war das auch nicht so egal. „Das ist Geld, das der Belegschaft zusteht!“, hat Robert Huth gesagt, ein Gewerkschafter, langjähriges Mitglied des Betriebsrats und Freund von Stolarksi. „Und mindestens geht da Steuerhinterziehung in großem Stil vor sich.“

Und dann ereignete sich dieser schreckliche Betriebsunfall. Nach drei Tagen auf der Intensivstation verstarb Robert Huth. Für die Behörden war und blieb es ein Betriebsunfall. Doch sie wussten nicht, was Robert Huth gewusst hat. Oder sie wussten nicht, dass der Automotive-Magnat selbst wusste, was Huth über ihn gewusst hat. Oder sie wollten es einfach nicht wissen, weil sie auch drinsteckten. Was aber niemand wusste, ist, dass auch Stolarski etwas wusste. Und wenn die Polizei den Mord an Huth nicht aufklären wollte, dann würde Stolarksi eben alles selbst ans Licht bringen.

Legal? Entschuldbar!

Er begann mit ein wenig Spionage. Manchmal beschattete er seinen großen Chef, verschaffte sich ein paar Mal nachts Zugang zu gewissen Büros. Nicht ganz legal, aber entschuldbar, oder?

Doch je mehr er herausfand, umso mehr verrückten die Grenzen des Entschuldbaren für Stolarski.

Nicht aber für das Landgericht, das ihn wegen Hausfriedensbruchs, mehrfacher schwerer Körperverletzung und einigen anderen Vergehen zu fünfzehn Jahren Haft verknackte.

Die Verhandlungen gegen den Zulieferermagnaten und einige andere Größen aus Politik und Wirtschaft – sogar gegen die Polizei – laufen noch. Einige der Angeklagten allerdings nicht. Silvio Stolarksi hatte dafür gesorgt, dass sie den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen würden. Diese Gewissheit beruhigte, ja, reinigte sein Gewissen. Ein großer Teil der Bevölkerung steht hinter dem Elektriker. Wenn Gewaltenteilung nur zu geteiltem Machtmissbrauch führt, wenn sie nur in Gewaltdeckung ausartet, dann braucht es nicht eine übergeordnete Instanz. Dann muss die Gerechtigkeit von unten kommen. Die Basis übernimmt die Aufsicht. 

Gerechtigkeit von unten

Doch wo ansetzen, wenn alle „da oben“ korrupt zu sein scheinen? Das Volk kann so viele Bürgerwehren, Nachbarschaftswachen und Selbstjustizanhänger doch gar nicht hervorbringen, dass es Polizisten, Strafverfolger, Richter und Vollstrecker stellen kann. Aber vielleicht braucht es das gar nicht. Silvio Stolarski hat die Menschen inspiriert. In der Megacity Ruhr wurden nun schon vermehrt Männer gesichtet, die alle Positionen auf sich vereinen wollen. Sie sagen: „Ich bin das Gesetz.“


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digitalcourage.de | Der Verein Digitalcourage setzt sich ein Informationsfreiheit und Datenschutz und diskutiert u.a. staatliche Überwachung und Vorratsdatenspeicherung.
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idz-jena.de/pubdet/wsd6-5 | Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) informiert unter dem Titel „Verdrängte Vergangenheit“ kritisch über den Umgang des Verfassungsschutzes mit rechtem Terror in den 70er und 80er Jahren.

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Marek Firlej

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