Mit ihren roten und gelben Backsteinen verleiht die Alte Feuerwache Kölns Agnesviertel einen architektonischen Akzent, der das Quartier im Norden der Altstadt sichtbar aufwertet. Im Hof spielen Kinder unter den Blicken der Mütter, die im Lokal oder auf der Terrasse unter der kleinen Allee mit Zwergpappeln sitzen. Im Geviert der Anlage haben Selbsthilfeinitiativen, politische Aktivisten, Yoga-Gruppen und Chöre ihren Ort gefunden. Es gibt Werkstätten zum Nähen, für Schmuck, Restauration, Klang und Töpferei. Ein wahrhaft soziokulturelles Paradies mitten in der Großstadt, in dessen Hof zwölfmal im Jahr ein Flohmarkt und zweimal ein Büchermarkt abgehalten wird. Im Netz sind alle Stellplätze oftmals innerhalb einer Minute vergeben.
„Hier kann man spielen, sich begegnen und arbeiten – in einem freien, unkommerzialisierten Raum“, sagt Geschäftsführerin Julia Dill und fügt schmunzelnd hinzu: „Wir sind ein begehrter Ort“, womit sie auch das Veranstaltungsprogramm meint, das in den Händen der Kulturmanagerin Sabine Keller liegt und Theater, Tanz, Neue Musik und Performances im großen Saal bietet.
Gerade in unseren Tagen lohnt es sich auf dieses Musterbeispiel gelungener Stadtentwicklung zu schauen. Denn 1974 hatte der Rat der Stadt Köln beschlossen, das schmucke Funktionsgebäude aus dem 19. Jahrhundert abzureißen. Letztlich konnte diese hartnäckig von der SPD favorisierte Entscheidung mit den Stimmen von CDU und Grünen gekippt werden. Gerettet wurde die Feuerwache durch Hausbesetzung und einen Verein von Bürgern, die über fast zehn Jahre für ihren Erhalt und die soziokulturelle Nutzung kämpften. Ironie des Schicksals, dass angesichts des Fehlens eines Tanzhauses die Feuerwache für das Kulturamt der Stadt Köln heute ein unverzichtbarer Spielort geworden ist, an dem Freie Gruppen auftreten können.
Was in den 1960er Jahren gefordert wurde, musste in den 1970er Jahren der städtischen Administration von den Bürgern abgetrotzt werden und konnte in den 1980er Jahren seine Realisierung erfahren. Heute brummt der Betrieb nicht alleine im Bereich der Gastronomie. Julia Dill betont, dass Raumüberlassungen und Initiativen immer auch einem inhaltlichen Check durchlaufen müssen, denn politisch, ökologisch, sozial und künstlerisch muss das Anliegen der Bewerber mit den Zielen des Vereins der Feuerwache überein gehen.
Trotz des Erfolgs will man nicht bei Vergangenem stehen bleiben. Das Land NRW hat die Bedeutung des Bürgerhauses erkannt und eine Konzeptförderung bewilligt, mit der Sabine Keller neue Veranstaltungsmöglichkeiten testen will. So besitzt das Gebäude ein kleines Kino, in dem die Freie Filmszene Kölns in Zukunft Arbeiten präsentieren könnte. Das Africologne-Festival soll 2019 zum Großteil in der Feuerwache stattfinden. Die Reihe Tanztausch scheint hier schon ihr Zuhause gefunden zu haben. „Für Festivals sind wir gut geeignet“, erklärt Sabine Keller, denn mit der Hilfe das Landes konnte nun neben dem großen Veranstaltungssaal auch die von Sprayern reich verzierte Halle saniert werden, in der die Feuerwehr früher ihren Wagenpark unterstellte. Damit verfügt man über eine zweite Spielstätte, die Theater, Tanz, Performance und Ausstellungen beherbergen kann. Nicht nur kulturinteressierte Kölner führt irgendwann ihr Weg in die Alte Feuerwache, und sei es nur, um auf dem Hof unterhalb der Agneskirche in Ruhe einen Kaffee zu trinken.
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